Momodou Jawara, genannt Momo, sitzt nervös in der Mann­schafts­ka­bine. Seit Wochen kann der große Mann mit dem fus­se­ligen Backen­bart nicht mehr das tun, was ihm wie nichts anderes nach seiner Ankunft in Deutsch­land geholfen hat: Fuß­ball­spielen. Bei einem Tur­nier in Grana könnte er sein Come­back feiern. Falls der Gegner antritt. Ich bin kein schlechter Mensch“, sagt Jawara.

Wenn der Wind falsch steht, weht von der Zucker­fa­brik ein übler Mief über die Anlage des SV Blau-Weiß Grana. Auf der einen Seite des blass gekrei­deten Spiel­felds erstre­cken sich weite Felder, auf der anderen ragen die Fabrik­schorn­steine in die Höhe. Auf diesem Platz, der für ihn die Welt bedeutet, durfte Jawara zuletzt drei Spiele lang nicht auf­laufen. Tatenlos zuge­sehen hat er aber nicht.

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Bild: Nils Stelte

Da sind einige dabei, die echt gut kicken können“

Von der Sei­ten­linie aus hat er seine Mit­spieler diri­giert, manchmal lauter als der Trainer. Die Kol­legen dankten es ihm, in dem sie nach jedem Tor jubelnd zu ihm gelaufen kamen. Und statt Sport frei!“ hieß es bei den Blau-Weißen vor jedem Spiel Für Momo!“ Aber was ist eigent­lich pas­siert, dass ein kickender Geflüch­teter im Bur­gen­land, Sachsen-Anhalt, nur noch zuschauen darf?

Blau-Weiß Grana schreibt seit einigen Jahren an einer Erfolgs­ge­schichte. Dabei ist es gar nicht so lange her, dass das Aus der Mann­schaft absehbar war. Zu wenige Spieler kamen nach, der Bur­gen­land­kreis leidet wie kaum eine andere Gegend unter einem mas­siven Bevöl­ke­rungs­rück­gang. 2015 wurde in der Nähe ein Flücht­lings­heim eröffnet. Einige der Männer von dort seien ein­fach mal zum Bolzen vor­bei­ge­kommen, erzählen der Ver­eins­vor­sit­zende Björn Koch und Mann­schafts­ka­pitän Johannes Heger. Dann haben wir gemerkt, da sind einige dabei, die echt gut kicken können.“

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Bild: Nils Stelte

Die haben geguckt! Aus­länder auf einer Män­ner­tags­tour“

Wäh­rend sich andere Mann­schaften in der Region zu Spiel­ge­mein­schaften zusam­men­schließen müssen, weil sie ihre Teams nicht mehr voll bekommen, wächst in Grana bald etwas zusammen. 14 ver­schie­dene Natio­na­li­täten, zwei Her­ren­mann­schaften und eine intakte Jugend­ab­tei­lung. Der Fuß­ball steht im Mit­tel­punkt, Inte­gra­tion pas­siert bei­läufig. Etwa, wenn ein aus­län­di­scher Spieler bei der Ver­eins­feier seine Liebe für den papp­süßen Nord­hau­sener Pfef­fer­minz­likör ent­deckt (eine Liaison, die bis heute hält). Oder wenn die Spieler mit dem Bol­ler­wagen gemeinsam durch den Ort ziehen („Die haben geguckt! Aus­länder auf einer Män­ner­tags­tour, so was haben die Leute hier noch nicht gesehen!“). Oder wenn beim Klub­fest längst Hühn­chen und Limo neben Schwein und Bier gereicht wird. Dar­über hinaus orga­ni­sieren die Ver­eins­mit­glieder Sprach­kurse und Arbeits­plätze für ihre Spieler.

Das alles scheint nun in Gefahr. Durch einen unglück­li­chen Press­schlag, so erzählen es die einen. Durch das bru­tale Foul eines Wie­der­ho­lungs­tä­ters, so sagen die anderen.