2018 überfielen Ultras von Sporting Lissabon das eigene Team. Der damalige Keeper Rui Patricio verrät nun erstmals schockierende Einzelheiten der Attacke.
Fans außer Kontrolle, verletzte und verängstigte Profis, total verwüstete Kabinenräume und ein so nie dagewesener Skandal, der weltweit hohe Wellen schlug: Gut eineinhalb Jahre ist es her, dass rund 50 maskierte Ultras von Sporting Lissabon die Kabine ihrer eigenen Mannschaft stürmten und scheinbar wahllos auf Spieler eindroschen. Über das genaue Geschehen auf dem Trainingsgelände gab es bislang nur Mutmaßungen und Gerüchte. Nun aber verriet einer der betroffenen Spieler das volle Ausmaß des Angriffs: Der damalige Sporting-Keeper Rui Patricio (31, Wolverhampton Wanderers) machte eine denkwürdige Aussage in einem spektakulären Strafgerichtsverfahren, an dessen Ende sogar Sportings ehemaliger Präsident Bruno De Carvalho hinter Gittern landen könnte.
Rückblick: Es geschah aus heiterem Himmel an einem milden Frühlingstag in Lissabon. Es war der 15. Mai 2018. Die Profis von Sporting, darunter auch der einstige Wolfsburger und heutige Frankfurter Bas Dost, hatten sich gerade in der Kabine versammelt, um sich für die vormittägliche Übungseinheit bereitzumachen. Auf dem Programm standen: Auslaufen nach dem letzten Ligaspiel und erste taktische Vorbereitungen auf das nahende Pokalfinale. Was dann über das Team hereinbrach, beschrieb Augenzeuge und Opfer Patricio mit drastischen Worten: „Ich hoffte, dass sie uns nicht töten.“
Medien und Fans zum Fraß vorgeworfen
Schon seit Wochen hatte es gebrodelt in der aktiven Fanszene von Sporting Lissabon. Bereits im April 2018, nach einer 0:2‑Niederlage bei Atlético Madrid in der Europa League, hatte der exzentrische Klubpräsident De Carvalho 19 Spieler vorübergehend vom Dienst freigestellt – und sie damit den Medien und den Fans zum Fraß vorgeworfen. Zum Ende der Spielzeit erreichten die Spannungen einen traurigen Höhepunkt. Das vor der Saison mit Millionenaufwand verstärkte Team hatte in der nationalen Liga nur Rang drei belegt, hinter Meister FC Porto und dem Lokalrivalen Benfica. Die Teilnahme an der Champions-League-Qualifikation verpasste man um drei Zähler – wegen einer unnötigen 1:2‑Niederlage bei Maritimo Funchal am allerletzten Spieltag. Das war offenbar zu viel für manchen Wirrkopf.
„Ich saß gerade in der Umkleidekabine und zog mich für das Training um, als ich Geräusche hörte und bemerkte, dass Fans in der Kabine herumschrien“, berichtete Rui Patricio im Zeugenstand. Ihm gegenüber, auf der Anklagebank, saßen die mutmaßlichen Angreifer und Drahtzieher. Insgesamt 44 Personen müssen sich bei dem Verfahren in Lissabon verantworten, darunter auch der damalige Klubchef De Carvalho, der den Angriff der Ultras gebilligt, wenn nicht sogar befohlen haben soll.