Während andere europäische Fußball-Ligen rund um Weihnachten den Spielbetrieb ruhen lassen, will die Premier League von „Pause“ nichts wissen – die Spieler zahlen dafür einen hohen Preis: Allein seit Weihnachten haben sich 53 Profis verletzt.
Als Fabian Schär am Mittwochnachmittag in der 51. Minuten mit gesenktem Kopf den gepflegten englischen Rasen des St. James Park verließ, humpelte er. Und während der Arbeitstag des Schweizers mit dem Gang in die Katakomben beendet war, machte sich in Trainer Steve Bruce vermutlich Wut und Resignation breit. In den vergangenen zwanzig Minuten hatte das englische Trainer-Urgestein bereits drei seiner Spieler verletzungsbedingt auswechseln müssen, womit das Wechselkontingent von Newcastle United ausgeschöpft und der Abgang Schärs besonders schmerzhaft wurde. Den 0 – 2‑Rückstand, das schien schon zu diesem Zeitpunkt klar, würde die Elf, beziehungsweise Zehn, von Bruce gegen die Mannschaft der Stunde aus Leicester kaum aufholen können.
„Irrsinnig!“
Und so ließ er Engländer nach dem anschließenden Schlusspfiff und einer 0 – 3‑Heimniederlage eben jenem Frust freien Lauf, der sich zuvor in ihm angestaut hatte: „Man erntet Verletzungen, wenn man müde Spieler zwingt, zu spielen. Ich habe schon vor einem Monat gesagt, dass es irrsinnig ist, Spieler vier Partien in zehn Tagen absolvieren zu lassen. Das ist die Konsequenz daraus.“
Die Klubs der englischen Premier League haben in den vergangenen zwei Wochen innerhalb von nur zwölf Tagen vier Spiele absolviert. Wie der englische Daily Telegraph nun berichtet, haben sich alleine in den Premier-League-Partien nach Weihnachten 53 Spieler der Erstliga-Klubs verletzt. Zum Vergleich: Im gesamten Monat November verletzten sich 54 Profis in der Premier League. Die meisten verletzungsbedingten Ausfälle muss mit acht Spielern dabei Newcastle United verzeichnen. Auch der AFC Bournemouth, deren Trainer Eddie Howe nach der 0:4‑Niederlage gegen West Ham verlauten ließ, er sei dazu genötigt gewesen, bereits angeschlagene Spieler einzusetzen, hat fünf verletzte Spieler aus den vergangenen Partien vorzuweisen. Lediglich die Wolverhampton Wanderers und der FC Burnley blieben vom Verletzungspech verschont.
Vergebene Mühen
Wie Recht Steve Bruce mit seiner Behauptung, die Verletzungen seien Ergebnis von Übermüdung und fehlender Regeneration haben könnte, lässt sich mit Blick auf die unterschiedlichen Verletzungen der Spieler erahnen. Denn neben schwerwiegenden Knieverletzungen wie der von Arsenal-Verteidiger Calum Chambers, litten die meisten Spieler an muskulären Problemen und damit Verletzungen, deren beste Prävention eine ausreichende Regeneration ist. Und so konstatiert auch der Leistungs-Analyst der Premier League, Ben Dinnery, dass die steigenden Zahlen der verletzungsbedingten Ausfälle nach Weihnachten eine direkte Folge des englischen Spielplan seien. Der Neujahrstag wäre mit Blick auf die Zahlen „schrecklich“, so Dinnery.
Die Sorgen und Vermutungen zahlreicher Premier-League-Trainer, die sich bereits im Vorfeld der vergangenen Spieltage breit gemacht hatten, scheinen sich angesichts dieser Zahlen zu bewahrheiten. Während Pep Guardiola den englischen Spielplan bereits seit Amtsantritt kritisiert, hatten sich in den vergangenen Wochen zahlreiche Beteiligte gegen die Spielansetzungen der Premier League gewandt. „Alle Trainer und alle Spieler sind besorgt“, ließ Wolverhampton-Trainer Nuno Santo, dessen Mannschaft innerhalb von nur zwei Tagen gegen die Topteams aus Liverpool und Manchester antreten musste, verlauten. Auch Reds-Trainer Jürgen Klopp machte seinen Unmut deutlich: „Kein Trainer hat Probleme mit Spielen am Boxing Day, aber am 26. und 28. Dezember zu spielen, ist ein Verbrechen.“
„Wir brauchen die Spieler für dieses Spiel“
Die enge Spielansetzung ruft nun auch die Spielergewerkschaft „Fifpro“ und deren Präsident Bobby Barnes auf den Plan. „Wir haben die Tradition, dass wir an Weihnachten Spiele haben und es ist Teil unserer Kultur, aber es fühlt sich an, als sei das alles kein verbundenes System“, machte Barnes mit Blick auf eine globale Regelung bei Spielansetzungen deutlich. Vereine und Verbände müssten sich weltweit dafür einsetzen, die Belastungen der Spieler zu reduzieren, so Barnes. „Wir benötigen eine gemeinsame Diskussion. Wir brauchen die Spieler für dieses Spiel. Ihre Interessen müssen besser geschützt werde.“
Mit der neu-eingeführte Winterpause im Februar will die wohl aufregendste Liga der Welt dieser Problematik Abhilfe schaffen. Doch ehe sich Salah und Co. in die rund zweiwöchige Ruhephase verabschieden dürfen, scheint aktuell kein Spieler mehr vor Verletzungen gefeit. Und so erinnert die Premier League dieser Tage weniger an einen Ort des spektakulären Sports als an Russisch Roulette.