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Robert Claus, nach dem Ber­liner Bun­des­liga-Derby wird vor allem über Pyro­technik dis­ku­tiert. Ist das der rich­tige Ansatz?
Nein, es ist zu pau­schal. Wir müssen die Debatte über Pyro­technik dif­fe­ren­ziert führen. Zudem sollten wir über die Ein­stel­lungen von Men­schen reden, die andere Men­schen mit Raketen beschießen – dabei dürfen wir nicht zu viel in einen Topf packen. Tat­säch­lich zeigen die Vor­fälle beim Ber­liner Derby, dass hier meh­rere Debat­ten­stränge zusam­men­laufen.

Welche sind das?
Bei Union und Hertha gibt es sehr aus­dif­fe­ren­zierte Fan-Szenen, in denen sich sowohl rechte Hools als auch gegen Ras­sismus enga­gierte Fans finden. Außerdem gibt es eine lange Geschichte der Pyro­technik-Debatte, in der sich Fan-Szenen selbst­kri­tisch damit aus­ein­an­der­ge­setzt haben. Beim Groß­teil der beiden Szenen sind Böl­ler­würfe und Raketen ver­pönt und werden als gefähr­lich betrachtet. Dies wird in den jewei­ligen Fan­foren ja auch kri­tisch dis­ku­tiert. Fackeln in den Händen hin­gegen werden wohl­wol­lender betrachtet. Des­halb darf man nicht Pau­schal­ur­teile fällen, wie es nach dem Derby auch im Tages­spiegel geschehen ist.

Was muss aus Ihrer Sicht stärker in den Fokus rücken?
Es haben ja nicht alle Fans diese Dinge beim Derby begangen. Es war ein sehr gewalt­a­ffiner und eher rechter Block. Bei Hertha ist das die Gruppe Kaliber 030“ und deren Umfeld, die gut ver­netzt sind mit Hoo­li­gans vom BFC Dynamo und vom 1. FC Mag­de­burg. Es ist dann auch sehr wahr­schein­lich, dass beim Derby Mit­glieder dieser anderen Gruppen dabei waren. Und bei Union gibt es das genauso. Es gibt zum Bei­spiel Ver­bin­dungen nach Mön­chen­glad­bach. Bei diesen Gruppen domi­nieren gewalt­be­reite und zum Teil men­schen­ver­ach­tende Ein­stel­lungen, wie es einige Spruch­bänder oder Gewalt-Auf­rufe auch belegen. Die Art und Weise, wie diese Gewalt aus­ge­lebt wird, ist ja eine Folge dieser Ein­stel­lungs­muster.

Welche Gefahr sehen Sie also in der Bewer­tung der Derby-Vor­fälle?
Dass nur über Pyro­technik und zu pau­schal dar­über dis­ku­tiert wird. Denn die Pyro­technik-Debatte ist ja auch über­la­gert und sym­bol­trächtig.

Inwie­fern?
Jen­seits der Raketen geht es nicht nur um den Gebrauch von Fackeln, son­dern auch darum, wie die Fans den Spieltag mit­ge­stalten und sich ein­bringen können in einem immer kom­mer­zia­li­sier­teren Fuß­ball. Da geht es um Mit­be­stim­mung und Teil­habe. Auf staat­li­cher Seite wie­derum geht es darum, die strengen Regu­la­rien durch­zu­setzen. Da treffen unter­schied­liche Wer­te­vor­stel­lungen und Ziele auf­ein­ander. Es geht also nicht allein darum, wie heiß eine Fackel sein darf und ob sie ver­boten ist, son­dern auch um die Frage, wie weit eine Jugend­kultur und Fan­szene die Gestal­tung eines Spiel­tages mit­be­stimmen kann. Ver­suche der Ver­mitt­lung wurden kaum ernst­haft ver­folgt. So ist Pyro­technik einer­seits ver­boten, ande­rer­seits in vielen Sta­dien sehr prä­sent.