Zunehmend sehen sich Schiedsrichter in Deutschland mit Gewalt und Beleidigungen konfrontiert. Am Wochenende protestierten sie in Berlin mit einem Streik. Ein Unparteiischer spricht über die Attacke auf ihn – und nimmt die Verbände in die Pflicht.
Donnerstagabend, Flutlicht, Spitzenspiel in der Kreisliga A West im Hochsauerlandkreis: Der TV Fredeburg spielt gegen den FC Fatih Türkgücü Meschede. „Alles wie immer“, denkt sich Schiedsrichter Markus Isenberg, als er das Spiel anpfeift. Bis zur 90. Minute bleibt es bei nur einer gelben Karte. Ein faires Spiel. 2:1 führen die Gäste, dann verletzt sich der Torwart der Gästemannschaft und Isenberg lässt acht Minuten nachspielen. In der 98. Minute trifft der Stürmer der Heimmannschaft zum 2:2 – Ausgleich! Abpfiff.
Isenberg läuft in Richtung der Kabine, als ihn ein aufgebrachter Spieler der Gästemannschaft beleidigt. Der 35-jährige Schiedsrichter zieht – trotz beendeter Partie – die rote Karte aus der Tasche. Mitspieler halten den 22-jährigen Spieler zurück. Im Augenwinkel nimmt Isenberg wahr, dass sich der Spieler losreißt. Kurz darauf spürt er einen Schlag auf den Hinterkopf. Er geht zu Boden. Polizei und Rettungsdienst rücken an. Doch weniger als die schmerzende Beule beschäftigt Isenberg an diesem Abend die Frage, was ihm da eigentlich wiederfahren ist.
Jagdszenen, Steinwürfe, Rettungshubschrauber
Schiedsrichter im deutschen Amateurfußball sind zunehmend Anfeindungen von Spielern und Zuschauern ausgesetzt. In Duisburg kam es bei einem Amateurspiel im Sommer zu Jagdszenen, als Spieler und Trainer auf die Schiedsrichter eintraten. Anfang des Monats wurden Schiedsrichter in Mülheim an der Ruhr und Essen attackiert. Ein Unparteiischer, der die Sportanalage mit dem Auto verlassen wollte, wurde mit Steinen beworfen. Am vergangenen Wochenende schlug ein Spieler den Schiedsrichter nieder, nachdem er eine Gelb-Rote Karte erhalten hatte. Der Unparteiische sackte bewusstlos zusammen und musste mit einem Rettungshubschrauber in die nächste Klinik geflogen werden. Man könnte diese Liste mittlerweile fast beliebig fortführen.
In Berlin wollen sich die Schiedsrichter Beleidigungen und gewalttätige Attacken nicht länger gefallen lassen. Am vergangenen Wochenende streikten die Unparteiischen. Sämtliche Pflicht- und Freundschaftsspiele unterhalb der Oberliga, die zwischen Freitag und Sonntag angesetzt waren, mussten ausfallen. „Die Gewalt auf Berlins Plätzen ist in dieser Saison gegenüber der Vorsaison gestiegen“, sagt der Schiedsrichter-Vorsitzende Jörg Wehling. In der noch jungen Saison gab es schon 109 Vorfälle von Gewalt und Diskriminierung, in 53 Fällen waren Schiedsrichter betroffen. Die Symbolwirkung des Streiks ist hoch, aber ändert die Aktion die Verhältnisse langfristig?