Die italienische Polizei schlägt auf Gladbach-Fans ein. Für deutsche Fans endeten Auswärtsspiele bereits nicht selten im Krankenhaus oder in der Zelle. Hier berichten sie von schockierenden Erlebnissen.
Dieser Artikel stammt aus dem Heft #168.
Sie schwingen den Knüppel durch die Luft und schieben sich mit einem Schild nach vorne. Griechische Polizisten sind vor dem Champions-League-Spiel zwischen Olympiakos und Bayern Mitte September in den Gästeblock gestürmt. Dann schlagen sie zu, wieder und wieder trifft der Knüppel auf den Kopf, die Schultern, den Rücken. Fans sinken zu Boden und werden weiter traktiert.
Die Polizei drischt wahllos um sich, die Umstehenden heben schützend die Hände, einige fliehen, indem sie über die Sitze nach hinten klettern. Im Ausgang des Blocks werden die Verletzten von Notärzten behandelt, Blutlachen bilden sich auf dem Beton. Mehrere Bayern-Fans tragen Platzwunden und starke Prellungen davon, einer erleidet eine Gehirnerschütterung.
„So eine Brutalität noch nie gesehen“
Benedikt Hort, Fanbetreuer des FC Bayern, trug einen blutüberströmten Mann aus dem Block. „So eine Brutalität habe ich noch nie gesehen“, sagt er. Seinen Schilderungen zufolge hatten sich im Vorfeld bayerische und griechische Fans gegenseitig provoziert. „Das waren Pöbeleien, wie sie im Fußball häufiger vorkommen, weder obszön noch schwerwiegend.“ Ein Münchner sei auf eine Scheibe gestiegen und habe ein Loch in ein Netz gerissen. Daraufhin stürmte die Polizei in den Block. Hort sagt: „Sie haben alles kurz und klein geknüppelt.“
Der FC Bayern beschwerte sich bei der UEFA über das „unverhältnismäßige Vorgehen der Polizei“ und hinterließ eine Protestnote. Der europäische Fußball-Verband reagierte bislang nicht. Und in München rechnen die wenigsten damit, dass sich daran etwas ändert. Denn die Gewalt von Polizei und Ordnern vor allem in Südeuropa gegenüber deutschen Fans hat mittlerweile traurige Tradition. Sämtliche Vorfälle blieben folgenlos für die Vereine und die Polizei, die UEFA schwieg, alle Protestnoten versandeten.
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Freiburg reagiert auf Polizeigewalt in Sevilla: „Absolute Sauerei“
Zwar sind zum einen auch Verfehlungen der deutschen Polizei bekannt, die beispielsweise bei einem internationalen Spiel auf Schalke den Heimblock stürmte und dort ziellos Pfefferspray versprühte. Dabei zogen sich mehrere Fans Verletzungen zu, eine Frau musste mit einem Atemstillstand ins Krankenhaus eingeliefert werden. Zum anderen sorgten auch deutsche Fans bereits für Chaos in den Auswärtsblöcken. Zuletzt im Oktober randalierten Dortmunder beim Spiel in Thessaloniki, einige warfen Pyrotechnik in Richtung der Polizei, Sanitäter und anderer Zuschauer.
Dennoch überwiegen jene Fälle, in denen die Polizei absolut unverhältnismäßig vorging. Gerade in Spanien gibt es keine Kultur des Auswärtsfahrens, die Gästeblöcke bleiben meist leer. Die Polizei agiert bei Europapokalspielen nicht nur überfordert, sondern schlichtweg aggressiv. Der SC Freiburg spielte vor zwei Jahren in Sevilla, als die Polizei nach Spielschluss ohne erkennbaren Grund auf SC-Fans einschlug. Ein Anhänger wollte ein Foto schießen und wurde daraufhin die steile Treppe hinuntergestoßen. Freiburgs Verantwortliche bezeichneten das Vorgehen als „absolute Sauerei“. Freiburger und Bayern wurden rund ums Stadion verletzt, Fans anderer Vereine danach sogar inhaftiert.
Knastessen: Ananassaft und ein paar Kekse
2008 gerieten Schalker Fans beim Spiel in Valencia in einer Kneipe mit Spaniern aneinander. Was dann passierte, beschrieb ein Fan in einer Mitteilung der Ultras Gelsenkirchen. Er wurde demnach von der Polizei in Handschellen gelegt und später in einen dunklen Keller des Gefängnisses gebracht. Dort teilte er sich die sechs Quadratmeter große Zelle ohne Licht und Fenster mit einem Spanier, der seine Frau verprügelt hatte.
Der Schalker blieb dort zwei Tage ohne jede Anhörung und Möglichkeit, Freunde oder Familie zu kontaktieren. „Mein erstes und für zwei Tage einziges Knastessen bestand aus einem 0,2 l‑Päckchen Ananassaft und einer kleinen Auswahl an Keksen. Mit der Zeit geht man sich selber auf die Nerven, kann seinen eigenen Gestank nicht mehr riechen. Hätte ich etwas im Magen gehabt, ich hätte mich vor Ekel übergeben.“ Zwei Mal am Tag durfte er auf die Toilette, während der Nacht schlug das Wachpersonal mit Knüppeln gegen die Zellentür.
Die mutmaßliche Weisung: Kein Wasser, kein Schlaf für die Gefangenen. Erst am dritten Tag wurden er und die 12 anderen Schalker einem Richter vorgeführt und nur deswegen entlassen, weil sie eine auf Spanisch verfasste Erklärung unterschrieben. Die Stunden im spanischen Gefängnis, so ihr Fazit, seien für sie alle „die schlimmsten ihres bisherigen Lebens“ gewesen.