Die U21 schlandisiert die Europameisterschaft, gewinnt 4:2 gegen Rumänien und bekommt die Chance zur Titelverteidigung. Nadiem Amiri soliert wie Slash, Max Frisch schreibt Jonathan Tah und Nübel macht den Neuer. Die deutsche Mannschaft in der Einzelkritik.
Alexander Nübel
Kennen Sie Manuel Neuer? Alexander Nübel anscheinend auch. Spielte gegen Rumänien wie der mittlerweile 33-jährige Nationaltorwart vor zehn Jahren, glanzparierte in der Nachspielzeit der ersten Hälfte gegen Puscas und hätte auch noch fast dessen Elfmeter gehalten. Ist passenderweise auch zehn Jahre jünger als Neuer. Der übrigens vor zehn Jahren die U21-EM gewann. Zufall? Wir glauben nicht.
Lukas Klostermann
Machte den guten Schiedsrichter und fiel nicht weiter auf, wie er überhaupt ungefähr der unauffälligste Spieler der Mannschaft ist. Wie früher in der Schule: bisschen schüchtern, Haare von Mama geschnitten, Hose im Sportunterricht etwas zu kurz. Hat am Ende des Jahres doch fast nur Einsen auf dem Zeugnis, klaut zum Vortrinken Alkohol aus dem Schnapsschrank der Eltern und ist Klassenbester im 100-Meter-Sprint. Schöner Kontrast zu den 20-jährigen Multimillionären, die im Hollywood-Urlaub Imagevideos in Balenciaga-Shirt und mit Helikopter drehen. War genau wie modetechnisch auch bei der Flanke zum 1:2 nicht ganz auf der Höhe.
Jonathan Tah
Der zweitälteste Spieler im deutschen Kader wirkt, als wäre er 30, sieht so aus und spielt auch so. Abgeklärter als Tah war zuletzt 1957 Max Frischs Walter Faber. Holzte die schönsten Spieleröffnungen seit Jerome Boateng 2014 punktgenau wie Wärmesuchraketen in die heißgelaufenen Füße der Stürmer. Hätte mindestens einen Assist verdient gehabt, wurde aber von seinen Vorderleuten enttäuscht. Aber die sind ja noch jung.
Timo Baumgartl
Während Tah aussieht wie 30, ähnelt Baumgartl verdächtig sehr Tim Borowski. Blöd gelaufen. Auch, dass ausnahmslos alle seiner Teamkollegen so grandios aufspielten. War deshalb nämlich schlechtester Deutscher. Also auf dem Platz in Bologna, zu Hause gibt es ja so Leute wie Thomas Haldenwang. Verursachte den Elfmeter zum 1:1, verlor Puscas beim 1:2 ebenfalls ziemlich aus den Augen. Ist aber auch egal, weil: 4:2. Schland!
Maximilian Mittelstädt
Gab für den gelbgesperrten Henrichs sein EM-Debüt, was ihm überhaupt nicht anzumerken war. Grätschte, rannte, ackerte. Ähnlich unauffällig wie Pendant Klostermann auf der rechten Seite, sieht aber etwas cooler aus. Sieg nach Punkten.
Maximilian Eggestein
Gewann laut Opta 12 Prozent seiner Zweikämpfe. Ein Wert, über den sich der Bremer am meisten selbst ärgern wird. Verlor obendrauf noch den Ball vor dem 1:2. Wir sehen es ihm nach. Liefen wir bei 40 Grad Außentemperatur wie Eggestein Räume zu, würde am morgen danach niemand unsere Statistiken aufschreiben. Sondern unseren Nachruf.
Florian Neuhaus
Grätschte und blockte hinten, schoss und flankte vorne. Dominierte Ball und Gegner. Seine allgemeine Chefhaftigkeit konnte auch die Auswechslung nach 78 Minuten nicht ankratzen. Wäre Neuhaus nicht so jung, könnte man meinen, der Begriff Box-to-Box-Spieler wäre für ihn erfunden worden.
Mahmoud Dahoud
Klarer Fall: Dahouds spielerischer Auftritt wurde nur von seinen durch die während der Kühlpausen hochgekrempelte Shorts gekonnt in Szene gesetzten, massiven Oberschenkel übertroffen. Holte mindestens ebenso gekonnt den Elfmeter zum 2:2‑Ausgleich raus und verdeckte mit seinen beingewordenen Baumstämmen den Schuss von Waldschmidt zur Führung. Trifft schon sein ganzes Leben lang die richtigen Entscheidungen und kam pünktlich am Stichtag auf die Welt.
Levin Öztunali
Was erlauben Mainz 05? Dass dieser 23-jährige in der vergangenen Saison nur 16 Spiele machte, grenzt an Fahrlässigkeit. Gehört so sehr zum Inventar der U21, dass er kaum noch Beachtung findet. Ist im Angriff trotzdem Dreh- und Angelpunkt, während andere die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Nahm sich gegen Rumänien etwas zurück und überließ großzügig den Kollegen Amiri und Waldschmidt das Rampenlicht.
Luca Waldschmidt
Machte aus 40 Grad Außentemperatur Minusgrade, als er bei zwei ruhenden Bällen cooler blieb als Vanilla Ice. Traf dementsprechend doppelt, schraubte seine Statistik auf sieben Tore in vier Spielen, übertraf Pierre Littbarski und zog mit Markus Berg als U21-EM-Rekordtorschütze gleich. Berg wechselte nach der EM 2009 für zehn Millionen zum HSV, Waldschmidt dürfte den umgekehrten Weg nehmen. Hoffentlich.
Nadiem Amiri
Durfte für den angeschlagenen Marco Richter von Anfang an ran. Vor dem 1:0 mit dem besten Solo seit Slash auf »November Rain«, beim Freistoß zur 4:2‑Entscheidung einfach nur rotzfrech. Bemerkenswerte Leistung neben dem Doppelpack: Dass er nicht dreimal das Trikot wechseln musste, so sehr wie seine rumänischen Gegenspieler daran zerrten. Bester Spieler auf dem Platz.
Lukas Nmecha
Kam in der 79. Minute für Florian Neuhaus ins Spiel. Versaute Jonathan Tah den Abend, als er dessen Sahnepass sieben Minuten später freistehend verschwendete. Sorgte anschließend für die rote Karte gegen Pascanu und den Freistoß zum 4:2. Fazit: Die Entscheidung, Nmecha zu nominieren, war seit Langem die erste gute beim DFB.
Arne Maier
Sieht mehr nach Seefahrer aus als nach Fußballspieler. War dann auch seine größte Leistung nach der Einwechslung in Minute 87. Kauft sich von der Finalprämie eine Jolle.
Robin Koch
Durfte auch noch ran. Überzeugte mit lässiger Schnörres-Kinnflaum-Kombo. Glückwunsch. Also zum Finaleinzug.
Stefan Kuntz
Fragte seine Spieler in der Halbzeitpause, ob sie sich so aus dem Turnier verabschieden wollen. Bekam eine klare Antwort. Schien sich in der zweiten Halbzeit selbst einwechseln zu wollen, wurde aber von seinem Team zurückgehalten. Kümmerte sich nach dem Abpfiff zuerst um die rumänischen Spieler. Die Titelverteidigung wäre dementsprechend verdient.