Im kanadischen Frauenfußball wurden Spielerinnen sexuell missbraucht. Erst jetzt, elf Jahre später, melden sich die Betroffenen zu Wort. Wie konnte das passieren?
Es ist 2008, wenige Wochen vor der U20-Frauenweltmeisterschaft 2008, als bekannt wird, dass sich der kanadische Fußballverband und die Vancouver Whitecaps von Bob Birarda „gemeinschaftlich“ trennen. Birarda ist zu diesem Zeitpunkt sowohl Trainer der U20-Frauennationalmannschaft Kanadas, als auch Cheftrainer des Frauenteams der Vancouver Whitecaps, die als Sprungbrett zur kanadischen Nationalmannschaft gelten. Was die Öffentlichkeit lange nicht wusste: Birarda nutzte diese Position über Jahre hinweg systematisch aus.
Im Februar diesen Jahres, 11 Jahre nach den vermeintlichen Taten, meldet sich mit Ciara McCormack die erste Betroffene zu Wort. Die Vorwürfe von inzwischen 14 ehemaligen Spielerinnen richten sich nicht alleine gegen ihn, sondern auch gegen den Verband, die Vancouver Whitecaps und die nationale Sportbehörde. In einem Blog-Eintrag erhebt McCormack schwere Vorwürfe. Inzwischen unterstützen dreizehn weitere Spielerinnen, die allesamt dem U20-Kader 2008 angehörten, ihre Aussagen in einem Online-Statement.
„Was wirst du dagegen tun?“
Bob Birarda soll demnach Spielerinnen sexuelle Textnachrichten gesendet haben, im Auto einer Spielerin den Oberschenkel gerieben haben, eine Spielerin zum Vieraugengespräch auf sein Hotelzimmer mit geschlossener Tür gebeten haben, um sie – nachdem er sie aus der Startelf gestrichen hatte – zu fragen: „Was wirst du dagegen tun?“. Einer weiteren Spielerin habe er gesagt, wie gut sie in ihrem durchnässten Trikot aussehe und er deshalb entschieden habe, sie sollten an diesem regnerischen Tag in weißen Trikots spielen.
In dem sehr persönlichen Blogeintrag spricht McCormack über den schnellen Aufstieg von Birarda und die zeitgleichen Anfänge von Mobbing und Manipulation. Sie spricht über eine von Angst dominierte Umgebung. Dabei wirft insbesondere das Verhalten von Verband und Verein einige Fragen auf. Denn nach eigener Angabe hatten McCormack und weitere Spielerinnen sich schon 2007 im Vertrauen an den Präsidenten der Whitecaps mit der Bitte um Anonymität und Hilfe gewandt, dieser konfrontierte Trainer Birarda mit den Anschuldigungen, nannte auch die Namen der Spielerinnen. Doch eine interne Untersuchung gegen ihn fand erst ein Jahr später statt. Die Folge war zwar die Trennung von Birarda, rechtliche Schritte hielt man allerdings nicht für notwendig. Bob Birarda trainierte bis in das aktuelle Jahr hinein weiter Junorinnen-Fußballmanschaften. McCormack verließ vor der Trennung den Verein.
Die gleichen Personen, die gleichen Ämter
Dass die Veröffentlichung der Geschehnisse erst im Februar diesen Jahres erfolgte, begründet McCormack damit, dass die verantwortlichen Personen immer noch im Amt seien.
Gegen die Darstellung, dass die Thematik nicht ernst genug genommen worden sei, wehren sich nun Verantwortliche des Verbands, wie auch der Verein. Die Stellungnahme der Whitecaps beinhaltet eine Entschuldigung gegenüber den Betroffenen, verteidigt aber hauptsächlich das eigene Vorgehen. Zeitgleich mit der ersten Anschuldigung habe der Verein die Ermittlungen eingeleitet und sich von Birarda getrennt. Auf rechtliche Schritten wurde verzichtet, weil man nach den Empfehlungen der Ombudsperson gehandelt hätte.