Der Hamburger SV verpasst nach einer eklatant schwachen Rückrunde den direkten Wiederaufstieg. Und damit die einmalige Gelegenheit, sich von Grund auf zu erneuern.
Das war’s. Der Dino ist tot. Gestern um 17.20 Uhr MEZ segnete er endgültig das Zeitige. Der Hamburger SV wird auch in der Saison 2019/20 in der zweiten Liga spielen.
Findige Marketingexperten hatten dem Maskottchen des Klubs nach dem Bundesligaabstieg im vergangenen Jahr ein Pflaster auf den Panzer geklebt. Statt „Nur der HSV!“ sollte fortan das Motto „Trotzdem HSV!“ lauten. Die Marschrichtung war damit unmissverständlich. Nun, da das Unaussprechliche eingetreten war, konnte es nur ein Ziel geben: den direkten Wiederaufstieg. Der sieche Dinosaurier der Bundesligahistorie sollte sich in einem Jahr im Unterhaus mal eben die morschen Knochen durchpusten, von Altlasten befreien und per Triumphzug durch die Zweitligastadien fräsen, seine leidgeprüfte Anhängerschaft im Handstreich versöhnen und eine neue Euphoriewelle lostreten.
Der HSV wäre nicht der erste Traditionsverein gewesen, für den ein Jahr in der zweiten Liga kathartische Wirkung hat. Der VfB Stuttgart und Werder Bremen schafften nach ihren Abstiegspremieren in den Siebzigern nach der Rückkehr ins Oberhaus direkt den Sprung in internationale Geschäft. Der 1. FC Kaiserslautern marschierte nach dem ersten Abstieg sogar direkt zur Deutschen Meisterschaft.
Nur die schwache Konkurrenz hielt die Hoffnungen am Leben
Doch der HSV – das lässt sich nun festhalten – hat die einzigartige Chance, sich in der zweiten Liga zu erneuern, vertan. Seit dem 10. März hat der Klub kein Spiel mehr gewonnen. Auch vorher schon kam es nur selten vor, dass die Rothosen so dominant auftragen, wie es angesichts der hohen Ambitionen zu erwarten war. Und dennoch schien es lange, als halte der Fußballgott sein gütiges Händchen über den geschundenen Klub. Denn die Hamburger blieben trotz ihrer beispiellosen Serie ohne Sieg aufgrund der schwächelnden Konkurrenz stets oben dran.
Wer jedoch die Partien seit dem 4:0‑Kantersieg im Derby auf St. Pauli aufmerksam verfolgte, dem wurde angesichts der Aufstiegshoffnungen zusehends Angst und Bange. Trainer Hannes Wolf gelang es nicht, neben dem limitierten Goalgetter Pierre Michel Lasogga einen weiteren Stürmer mit Killerinstinkt zu etablieren. Fiete Arp, unter Wolfs Vorgänger Christian Titz zur großen Hoffnung aufgestiegen, stagnierte. Im Mittelfeld büßten die zu Saisonbeginn als Leader berufenen Aaron Hunt und Lewis Holtby zusehends an Selbstbewusstsein ein.
Ihnen wurden Khaled Narey und Berkay Öczan vorgezogen, die das Vertrauen des Coachs jedoch nie rechtfertigen konnten – und offenkundig noch nicht so weit sind, in der Crunch Time der Saison den Unterschied zu machen. Ganz zu schweigen von der Verteidigung: Innenverteidiger Léo Lacroix blieb den Nachweis seiner Qualitäten schuldig. Die Youngsters Rick Van Drongelen und David Bates waren der nervlichen Belastung im Aufstiegskampf nicht gewachsen. Gideon Jung, der die Mannschaft führen sollte, wanderte durch ein nicht enden wollendes Formtief. Und Gotoku Sakai, ach, Sakai. Hat mit 28 seine besten Jahre offenbar hinter sich.