Am Montag Abend wurde bekannt, dass Cheftrainer Pal Dardai sein Traineramt bei Hertha BSC am Ende der Saison abgeben wird. Ein hervorragender Grund, auf seine 1606 Tage Berliner Trainerkarriere zurückzublicken.
Nach zuletzt fünf Niederlagen in der Bundesliga in Folge wird Herthas Chefcoach Pal Dardai zum Saisonende, dann viereinhalb Jahre im Amt, seinen Posten abgeben. Darauf haben sich der Trainer und Geschäftsführer Michael Preetz einvernehmlich geeinigt.
Der Beginn seiner Trainerkarriere ist gleichzeitig sein gefeierter Abschied vom Rasen nach 14 1/2 Jahren bei der Hertha. Mit dem Bundesligaaufstieg 2011 verabschiedet er sich als aktiver Profi. Bis heute ist Dardai mit 373 Einsätzen Berlins Rekordspieler.
Er kickt noch für Herthas Traditionself und steigt im Februar 2012 in Berlins Jugendarbeit ein. »Ich habe ein perfektes Leben gehabt. Als U15-Trainer habe ich mit dem Team alles gewonnen, hatte Spaß auf dem Platz, musste aber keine Zeit mit Journalisten investieren«, blickte er noch im März schmunzelnd zurück, »Mein Auftrag war Kinder weiterbilden und dafür zu begeistern, Herthaner zu sein. Ein wunderschönes Leben.«
Drei Jahre später steckt die alte Dame im Abstiegskampf und Dardai wird in das Amt des Interimstrainers gerufen. Der mutige Schritt des bereits taumelnden Preetz, auf den unerfahrenen Ungarn zu setzen, zahlt sich sofort aus: bei seinem Debüt an der Seitenlinie gewinnt die Hertha 2:0 in Mainz.
Mit zwischenzeitlich sieben Spielen in Folge ohne Niederlage erreicht Dardai mit seiner Mannschaft das rettende Ufer. Doch vor dem bis zum Finale hochspannenden Abstiegskampf kann es am letzten Spieltag noch ganze sechs Teams treffen – Hertha ist eines von ihnen.
Trotz einer 1:2‑Pleite in Hoffenheim rettet sich Berlin auf den 15. Rang. Der HSV muss aufgrund der schlechteren Tordifferenz in die Relegation. »Ich freue mich darauf, eine Flasche Rotwein zu öffnen – das habe ich mir verdient«, so der erleichterte Dardai nach der Zitterpartie. Als Belohnung gibt es einen neuen Vertrag obendrauf: aus dem Interims- wird der Cheftrainer.
Nebenbei ist Dardai Nationaltrainer Ungarns – und das sehr erfolgreich. Kein Pflichtspiel geht unter seiner Ägide verloren.
Wochenlang bestimmt Dardais Doppelrolle die Sportgazetten Ungarns und Berlins: »Ich habe die Frage in der Zeitung gelesen: Wem gehöre ich? Ich kann nur sagen: Ich gehöre ausschließlich meiner Frau.« Nach sieben Spielen als Ungarns Cheftrainer zwingt Hertha ihn, seinen EM-Traum platzen zu lassen und seinen zweiten Herzensjob aufzugeben. Ungarn qualifiziert sich trotzdem erstmals für die Endrunde und erreicht in Frankreich das Achtelfinale.
In der Bundesligasaison 2015/16 startet Dardai durch und schließt die Hinrunde sensationell auf dem dritten Platz ab. Auch im DFB-Pokal marschiert sein Team bis ins Halbfinale.
Wo die Hertha gegen Tuchels BVB eine Packung kassiert. Auch unter Dardai bleibt es dabei, dass Hertha BSC es noch nie ins Pokalfinale im eigenen Stadion geschafft hat.
Auch in der Liga geht den Blau-Weißen die Puste aus. Kein Sieg in den letzten sieben Spielen bedeutet Platz sieben statt Champions League. Das Erreichen der Quali-Runde für die Europa League ist trotzdem ein Erfolg.
In die Gruppenphase kommt Berlin aber nicht. Bröndby Kopenhagen mit Trainer Andreas Zorniger erweist sich als ein zu starker Gegner. In Dänemark geht sein erstes Europa-Abenteuer als Trainer nach einem 1:3 zu Ende, bevor es überhaupt begonnen hat.
Trotzdem hat Dardai gut lachen: es wird seine beste Saison mit der Hertha. Am Ende springt trotz einer abermalig deutlich schwächeren Rückrunde Platz sechs und damit die direkte Qualifikation für die Europa League Gruppenphase heraus.
Europäische Reisegelüste gehen für Berlins Fans in Erfüllung. Für sportliche Hochgefühle reicht es nicht. Der einzige Sieg gelingt im Olympiastadion gegen Zorya Luhansk aus der Ukraine. Die Doppelbelastung strahlt auf die Ligaergebnisse aus. Mit Platz zehn kann Dardai seinen Vorjahreserfolg nicht wiederholen.
Die aktuelle Saison geht dagegen vielversprechend los: mit attraktiven Offensivfußball mischen Duda, Ibisevic und Co. die Liga auf und stehen zunächst auf den Champions-League-Plätzen.
Highlight der Hinrunde: der 2:0‑Überraschungssieg über die Bayern. Ohnehin liegen die Münchner Dardai gut. Vier Spiele lang kann der Rekordmeister gegen Berlin nicht gewinnen.
Gegen Nürnberg gelingt Dardai im Januar sein 50. Sieg als Hertha-Coach. Es sollten nur noch zwei weitere dazu kommen.
Noch im März erinnerte er an seine ursprüngliche Mission: „Die Erwartungen zu meinem Start war hier: eine neue Spielphilosophie, in den Nachwuchs investieren und nicht absteigen. Wir haben jetzt eine gute Stabilität und können den nächsten Schritt machen.“ Nur ohne Pal Dardai.
Auch sein Sohn Palko (19) profitierte von Dardais verstärkter Arbeit mit Jugendspielern während seiner Amtszeit. Unter seinem Vater debütierte der älteste Sohn Dardais am 28. April 2018 gegen Augsburg in der Startelf. Seine zwei Brüder Marton (16) und Bence (12) spielen für die Jugend der Hertha.
»Es schadet auch nicht, im Profigeschäft vielleicht mal mal eine Pause einzulegen, wenn man irgendwann müde ist«, hat Dardai mal gesagt. Als dienstältester Trainer der Bundesliga nach Freiburgs Streich hat er jeden Grund dazu. Jedoch wird Pal der Hertha-Familie erhalten bleiben und soll zur Saison 2020/21 wieder in die Jugendarbeit einsteigen.