Als Profi kämpfte sich Carsten Ramelow durch Europas Fußballtempel und erledigte die Drecksarbeit. Nach der Karriere kümmert er sich eher um Luxus in den Stadien – und Arbeitskampf.
Ende 2018 wirkte das Stadionul Giulesti Valentin Stanescu in Bukarest aus der Zeit gefallen. Maximal 3.000 Zuschauer durften wegen Sicherheitsbedenken noch in die Arena, obwohl die Kapazität eigentlich über 19.000 Plätze vorsieht. Der Hauptmieter Rapid Bukarest spielte unterklassig. Dem 1939 eingeweihten Giulesti stand der Abriss bevor, der schließlich am 10. Januar 2019 begann.
Nicht mal 15 Jahre zuvor, am 28. April 2004, war das altehrwürdige Stadion Schauplatz einer der größten Blamagen in der Geschichte der deutschen Nationalmannschaft. Der Torhüter des Gegners hieß Bogdan Lobont, die deutschen Innenverteidiger Jens Jeremies und Carsten Ramelow, das Endergebnis 1:5. Zum ersten Mal seit 1913 lag eine DFB-Elf zur Halbzeit 0:4 zurück. Rund drei Wochen später trat Ramelow nach 46 Spielen aus der Nationalmannschaft zurück, angeblich wegen Verletzungsproblemen und um Platz zu machen für den Nachwuchs. Aber irgendwie war doch allen klar, dass seine Leistung in Bukarest und die anschließende heftige Kritik ausschlaggebend waren.
„Sing when you’re winning“
Der gebürtige Berliner hatte in der Jugend bei verschiedenen Berliner Kultklubs gespielt, Hertha Zehlendorf, Tasmania und Tennis Borussia. 1991 wechselte er in die Profiabteilung von Hertha, 1996 zu Bayer Leverkusen. Für Bayer machte er insgesamt 333 Bundesligaspiele und schoss 22 Tore.
Seine Nationalmannschaftskarriere startete der defensive Mittelfeldspieler erst mit 24 Jahren. Bei der miserablen EM 2000 stand er zwar im Kader, kam aber nicht zum Einsatz – vielleicht wollte er mit seinem Rücktritt auch einfach vermeiden, nochmal so ein Turnier zu erleben. Bei der WM 2002 hingegen gehörte er zum Stammpersonal, auch im verlorenen Finale gegen Brasilien. Es war die Krönung eines Jahres, in dem Ramelow die Krönung versagt blieb: Vize-Weltmeister mit dem DFB, Vize-Meister in der Liga, Finalist in Pokal und Champions League. Das hielt ihn dennoch nicht davon ab, eine eigene EP mit dem Titel „Sing when you’re winning“ aufzunehmen.
Vier Jahre nach dem Nationalmannschaftsrücktritt beendete Ramelow mit 33 Jahren seine Fußballerlaufbahn. Kein Karriererückblick kam seitdem ohne die Redewendung „Knochen hinhalten“ aus. Ramelow arbeitete und kämpfte Fußball, am Ende bekam er die Quittung, als seine Knie aufgaben. Als die Einsatzzeiten abnahmen, zog er selbst die Reißleine: „Ich habe das Gefühl, dass ich hier keine Einsatzchance mehr habe. Als 17. Oder 18. Mann dabei zu sein, das bringt mir nichts.“ In vielen Endspielen hatte Ramelow den Ausgang nicht kontrollieren können, zu oft verlief er gegen seinen Wunsch. In seinem ganz persönlichen aber traf noch immer er die Entscheidungen. Und heute?