Toni Schumachers Buch „Anpfiff“ erschütterte 1987 den Fußball. Für das morgen erscheinende 11FREUNDE-Spezial „Skandale“ sprachen wir mit ihm über zentrale Textstellen seines Werks und stellten fest: Er bereut nichts.
Schumacher & der DFB
»Verlang mal, dass ein Gremium aus Bürokraten einen Panzer konstruiert. Du wirst erleben, dass die ein Dromedar erfinden. Diese Anspielung kennzeichnet den Apparat des DFB, des Deutschen Fußball-Bundes, recht gut. Alle übermächtigen Verwaltungen neigen dazu vor allem Selbstzweck zu sein. (…) Auf lange Sicht ist es ein praktisch unmögliches Unterfangen, die so unterschiedlichen Interessen der Nationalmannschaft, der Profifußballer, der 1. und 2. Bundesliga und der Amateure unter einen Hut zu bringen. (.…) Eine Trennung wäre wünschenswert, Überlegungen über eine neue, effizientere Konstruktion wären notwendig.« (aus: Toni Schumacher: Anpfiff, Enthüllungen über den deutschen Fußball, Droemersche Verlagsanstalt, München 1987, Seite 159)
Schumacher: »Heute gibt es seit fast zwanzig Jahren die DFL und damit genau die professionellen Strukturen, die ich mir zu meiner Zeit gewünscht habe. Damals haben mir die Funktionäre übelgenommen, dass ich sie so anging. Ich habe mich danach oft gefragt, warum es nie eine gemeinsame Pressekonferenz gab, auf der beide Seiten ihre Sicht der Dinge erklären konnten oder warum der DFB nie genau begründet hat, warum er mich rausschmeißt. Dann wäre vielleicht auch in den Medien eine differenziertere Reaktion erfolgt. Dann hätten sie mich vielleicht nicht lebenslang aus der Nationalelf eliminiert, sondern nur für eine Handvoll Länderspiele gesperrt. Und womöglich hätte mich dann auch der FC nicht suspendiert, denn im Geißbockheim haben sie sich dem Votum des Verbandes angeschlossen. Ich habe meinen Preis für das Buch bezahlt.«
Schumacher & die jungen Spieler
»Unser Nachwuchs – und das sage ich nicht wie ein betagter Neidhammel – hat es innerhalb der Vereine zu leicht. Es genügt, den Verdacht auf ein Quäntchen Talent zu erwecken, und schon gibt es einen festen Vertrag. Von Anfang an werden sie verhätschelt und verwöhnt, mit fünfzig‑, sechzig- oder siebzigtausend Mark pro Jahr für blutigste Anfängerleistungen honoriert. Das Ergebnis: Jeder hat seinen Super-Videorecorder, sein schnelles Auto usw. Die Kabinen- und Duschzurufe sind Dialoge im High-Society-Verschnitt.« (aus: Toni Schumacher: Anpfiff, Enthüllungen über den deutschen Fußball, Droemersche Verlagsanstalt, München 1987, Seite 176 ff.)
Schumacher: »Ist doch bis heute so. Nur die Gehälter sind höher und die Luxusartikel exklusiver geworden. Gerade sind zwei junge Spieler auf dem Weg zu einem Champions-League-Spiel ohne Pass zum Flughafen gekommen. Warum passiert sowas? Bestimmt auch, ihnen von Anfang an alles abgenommen wird. Mein damaliger Manager Rüdiger Schmitz ist mit mir an die Börse gefahren, hat mir Nachhilfe in Geld- und Lebensfragen gegeben. Die Spieler sind heute fußballerisch top ausgebildet, aber sie müssen nichts mehr machen, wenn sie nicht den eigenen Antrieb dazu haben.«
Schumacher & die Umgangsformen auf dem Rasen
»Unter den Schimpfwörtern steht natürlich das bestimmte Loch an erster Stelle: Zum ›Arschloch‹ kommt dann meist noch ein schmückendes Beiwort wie ›breites‹, ›riesiges‹, ›blödes‹ oder ›rabenschwarzes‹. (…) Rote Öhrchen kriege ich aber erst bei der nächsten Kategorie von kollegialen Zurufen: Wer lässt sich schon gerne einen ›Hodenbeißer‹, ›Arschficker‹, ›Wurmwichser‹ oder gar eine ›spanische Sackratte‹ nennen?« (aus: Toni Schumacher: Anpfiff, Enthüllungen über den deutschen Fußball, Droemersche Verlagsanstalt, München 1987, Seite 152)
Schumacher: »Was hätten die Leute gesagt, wenn ich geschrieben hätte, wir sagen auf dem Platz: Kollege, du bist aber ein unangenehmer Gegner. Die hätten gesagt: Der Schumacher spinnt! So war ich nicht. Ich habe das alles nie persönlich genommen. Bis heute rufen die Fans auf den Rängen Beleidigungen in Richtung des gegnerischen Torwarts, um ihn zu verunsichern. Mich hat das erst recht angespornt, keinen Fehler zu machen. Heute wird oft bemängelt, dass es im Fußball keine Typen mehr gibt. Aber was ist denn ein Typ? Einer, der die Art, nach der er erzogen wurde, nach außen trägt – selbst, wenn er dabei mal gegen den Strom schwimmt. Und nicht ewig überlegt, bevor er sich äußert, weil er Angst hat, womöglich jemandem auf den Schlips zu treten. Ich fahre mit dem 1. FC Köln seit Jahren im Juli auf dem CSD-Wagen mit, weil ich es wichtig finde. Ich galt ja zu meiner aktiven Zeit eher als Inbegriff des Machos, aber ich behaupte: Wenn ich schwul wäre, hätte ich mich zur aktiven Zeit geoutet. Wäre das auch ein Skandal gewesen?«
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