Mainz-Torjäger Jean-Philippe Mateta kommt aus einem der härtesten Viertel Frankreichs. Trotzdem hat er es auf eigene Faust in den Profifußball geschafft. Ein Gespräch über Partys im 11. Stock und Mario Gomez.
Jean-Philippe Mateta, Sie sind in Sevran aufgewachsen, einer Vorstadt von Paris. Sie liegt im berüchtigten 93. Département und gilt als heißes Pflaster. Wie kamen Sie dort zurecht?
Gut. Denn wenn du im Banlieue aufwächst, heißt das nicht automatisch, dass du ein mieses Leben führst. Das denken bloß viele Menschen, die von außen auf uns schauen. Weil sie nur die schlechten Seiten von Vierteln wie meinem sehen. Viele Jugendliche rauchen Gras, einige enden in einer miserablen Situationen, manche kommen sogar um. Aber für dich als Bewohner ist das der Alltag, du nimmst es nicht als sonderlich bedrohlich wahr. Du lebst ja ganz normal dein Leben dort, hast deine Familie da, dein gesamtes Umfeld. Alle meine Freunde kommen aus Sevran. Für mich war Sevran die Normalität.
Gab es Situation in Ihrem Leben, in denen Sie fast falsch abgebogen wären?
Nein. Weil für mich im Kopf immer feststand, dass ich eines Tages Fußballprofi sein würde. Und dass das mein Ticket nach draußen sein würde. Außerdem fing ich mit 14 Jahren an, in einem Verein außerhalb von Sevran zu spielen. Ich nahm fast jeden Tag den Zug und haute für zwei, drei Stunden ab aus meinem Viertel. Das war für den Kopf gut. Weil ich sah, dass meine Jungs mir schon damals alles gönnten und stolz auf mich waren.
Was hätten Sie gemacht, wenn es mit einer Profikarriere nicht geklappt hätte?
Ganz ehrlich: Ich hatte keinen Plan B. Nicht mal ansatzweise. In meinem Kopf sah es wie folgt aus: Entweder ich werde Profi – oder ich gehe unter. In meiner Gegend suchen viele das schnelle Geld, deswegen verkaufen sie Drogen oder machen Einbrüche. Doch ich spürte, tief in meinem Inneren, dass mein Weg der Fußball sein würde. Ich hatte zwar keine Ahnung, wie genau ich es anstellen soll, aber ich wusste, dass es klappen würde. Dementsprechend habe ich mich auf dieses eine Ziel konzentriert.
Es durch den Fußball raus zu schaffen aus der Vorstadt, diesen Traum haben viele Jugendliche in Frankreich. Was unterscheidet Sie von denen, die es nicht gepackt haben?
Dass ich nicht nur geträumt, sondern die Sache von Anfang an Ernst genommen habe. Das bedeutet, an seinem Körper zu arbeiten. Das bedeutet, laufen zu gehen, wenn der Trainer es von dir verlangt. Das bedeutet, früh ins Bett zu gehen und nicht draußen mit den Kumpels am Block rumzuhängen.
Gerade als Jugendlicher kann einem diese Art von Verzicht sehr schwer fallen.
Natürlich. Ich habe auf viele Partys verzichtet. Einmal war sogar eine direkt bei mir im Hochhaus, nicht mal zu der bin ich gegangen. Meine Wohnung war im 15. Stock, die Party im 11. Alle meine Freunde waren da, ich hörte den Lärm. Ich hätte nur ein paar Treppen laufen müssen und wäre da gewesen. Aber am nächsten Tag war ein Spiel. Also blieb ich zu Hause.
Sie spielten nie für die Nachwuchsmannschaft eines großen Vereins und mussten sich Ihren Weg in den Profibereich auf eigene Faust bahnen. War das als Jugendlicher nicht wahnsinnig frustrierend?
Klar, denn ich wäre liebend gerne in ein großes Leistungszentrum gewechselt. Aber die Vereine wollten mich nicht oder sind gar nicht erst auf mich aufmerksam geworden. Dementsprechend gab es Tage, an denen ich am liebsten alles hingeschmissen hätte.