Um sein Team in Rio de Janeiro spielen zu sehen, trampte ein Fan des uruguayischen Vereins Nacional Montevideo an der Ostküste Südamerikas entlang. 22 Tage lang. Und wurde dabei entführt.
Fans, die ihren Verein bei Auswärtsspielen unterstützen wollen, unternehmen teilweise die skurrilsten Dinge. Die einen fahren an einem verregneten Novembersamstag mit dem Wochenendticket nach Duisburg, andere fliegen nach Chişinău, um beim einzigen internationalen Auftritt in der Geschichte ihres Vereins im Rahmen der Europa-League-Quali dabei zu sein. Und wieder andere verbrennen ihre letzten Urlaubstage, um dabei zuzusehen, wie sich Hansa Rostock in einer englischen Woche eine verdiente 0:3 Klatsche in Wiesbaden abholt. Alles reichlich bekloppt, doch Richard Fernandez, Fan von Nacional Montevideo, hat sich offenbar entschieden, den Auswärtsfahrtwahnsinn auf die Spitze zu treiben.
2414 Kilometer in 22 Tagen. Ein Blick auf die nackten Zahlen lässt bereits erahnen, welche Strapazen Fernandez auf sich genommen haben muss, um seinen Verein beim Gastspiel bei Fluminense Rio de Janeiro im Viertelfinale der Copa Sudamerica zu unterstützen. Über drei Wochen ist der Uruguayer an der Ostküste Südamerikas entlang getrampt, mit 100 Dollar in der Tasche und einer Packung Mate Tee im Gepäck. „Meine Liebe zu Nacional ist einfach unbeschreiblich, deshalb würde ich für meinen Verein alles tun“, erklärte er in uruguayischen Zeitungen seinen untypischen Anreiseweg.
Alles tun, das hieß in diesem Fall nicht nur wochenlange Reisebelastungen auf sich zu nehmen, sondern auch durch die nicht immer ungefährliche Straßen Brasiliens zu fahren. Die Kriminalitätsrate in der ehemaligen portugiesischen Kolonie ist hoch, auch Autofahrer werden immer wieder Ziel von Übergriffen. Und so kam es, wie es kommen musste: Nachdem ein LKW-Fahrer sich dazu entschieden hatte, Richard Fernandez in seinem Truck mitzunehmen, wurden beide nach nur wenigen Kilometern gezwungen anzuhalten und anschließend von einer Gang entführt. Doch seiner Version zufolge hatte letzterer Glück im Unglück, wie er im Gespräch mit der Zeitung „Ovacion“ erzählt: „Die Entführer beruhigten mich und behaupteten, dass mir nichts passieren würde, weil ich aus Uruguay bin. Ich traute der ganzen Sache zwar nicht so wirklich, doch dann brachten sie mich in einem Raum, wo ein Tisch stand, der voll war mit Koks, Bier und Cannabis. Als sie meinen fragenden Blick sahen, sagten sie wie selbstverständlich, dass ich alles konsumieren dürfe, was ich wolle. Das Einzige, was sie mir abnahmen, war mein restliches Geld, und nach einer Weile erlaubten sie mir, zu gehen.“
Fernandez war zwar nun um 60 Dollar ärmer, doch noch lange nicht am Ziel. Also entschied er, Geld für ein Busticket nach Rio zu sammeln. Am Ziel angekommen, traf er sogar noch den Chef- und Torwarttrainer von Nacional, mit denen er laut eigener Aussage „etwas Mate Tee an der Copacabana trank“, bevor sie ihn letztlich zum Spiel einluden, bei dem er nach einem späten Ausgleich seiner Mannschaft noch ein 1:1 sah.
Wie er zurück nach Hause kam? Ähnlich spektakulär, oder ganz spießig mit dem Flugzeug? Erst einmal gar nicht, denn Fernandez spekuliert im Falle eines Weiterkommens seiner Mannschaft in der nächsten Runde auf einen erneuten Gegner aus Brasilien und möchte deshalb vorerst im größten Land Südamerikas verweilen.