Bundestrainer Joachim Löw hat noch immer keine Stammelf gefunden. Im letzten Gruppenspiel gegen Südkorea könnte es wieder mehrere Wechsel geben.
Julian Brandt hat WM-Geschichte geschrieben. Vermutlich zumindest. Er dürfte der einzige Spieler der Turnierhistorie sein, der mehr als einen Torschuss abgegeben hat und dessen Schüsse allesamt am Pfosten gelandet sind. Zweimal ist der Leverkusener bei der Weltmeisterschaft in Russland eingewechselt worden, gegen Mexiko in der 86. Minute, gegen Schweden in der 87. Minute; in beiden Begegnungen bekam Brandt je eine gute Schusschance. Beim ersten Mal touchierte der Ball leicht den Außenpfosten, beim zweiten Mal prallte er satt dagegen. Aber es war nicht nur diese fast beängstigende Präzision, mit der Brandt auf sich aufmerksam machte. Er brachte, obwohl nur wenige Minuten auf dem Platz, neuen Elan ins deutsche Spiel. Das macht Brandt als Einwechseloption so wertvoll, als Spezialkraft, wie Joachim Löw das vor vier Jahren in Brasilien genannt hat. Damals hatte er André Schürrle und Mario Götze, jetzt hat er Julian Brandt. Für Brandt könnte das ein Problem sein.
Unter den Möglichkeiten
Allzu viele Spieler, die ohne Vorglühen gleich auf Betriebstemperatur sind, finden sich im Kader der deutschen Nationalmannschaft nicht. Oder besser: nicht mehr. Denn alle, die einem Spiel nach ihrer Einwechslung noch eine Wende geben können, werden inzwischen für die Startelf gebraucht, Marco Reus und Mario Gomez nämlich. „Insgesamt gibt es ein unglaublich gutes Gefühl, wenn ein Spieler von der Bank kommt und noch einmal für Schwung sorgt“, sagt Löws Assistent Marcus Sorg. „Trotzdem darf es kein Ausschlusskriterium sein, dass so ein Spieler von Anfang an spielt.“ Es ist also gut möglich, dass Julian Brandt im dritten WM-Gruppenspiel an diesem Mittwoch gegen Südkorea einen Trend fortschreibt: dass er von der Bank in die Startelf rückt – und dort den bisher enttäuschenden Thomas Müller ersetzt.
In der Vorbereitung ist Innenverteidiger Mats Hummels auf die Titelchancen der Nationalmannschaft angesprochen worden. Er hat den Kader von vor vier Jahren mit dem aktuellen verglichen. „Wir hatten 2014 fünf Leute, die gar keine Minute gespielt haben“, sagte Hummels. „Das wird diesmal weniger der Fall sein.“ Nach nur zwei Spielen hat Löw jetzt schon so viele Spieler eingesetzt wie in Brasilien im gesamten Turnier. Hummels dürfte also Recht behalten, allerdings anders als gedacht. Er hatte darauf angespielt, dass die Breite im Kader größer und die Qualitätsunterschiede geringer seien. De facto aber war Löw zu den Wechseln gezwungen, weil einige Spieler unter ihren Möglichkeiten geblieben sind. Eine Stammelf hat er immer noch nicht gefunden.
Keine Gewissheiten
Es passiert selten, dass ein Team genauso aus einem Turnier herauskommt, wie es hineingegangen ist. Und trotzdem ist es bei der deutschen Mannschaft in Russland anders als in der Vergangenheit. Alles fließt. Mesut Özil stand 26 Turnierspiele hintereinander in der Startelf, gegen Schweden saß er erstmals nur auf der Bank und wurde nicht einmal eingewechselt. Sollte nun auch noch Thomas Müller seinen Stammplatz verlieren, gäbe es wohl endgültig keine Gewissheiten mehr.