Kein Fußballer wurde bei dieser WM bisher des Dopings überführt. Eine Überraschung, die keine ist. Woran das liegen könnte, und was Fußballer tatsächlich nehmen, weiß Experte Fritz Sörgel.
Herr Sörgel, Russland stand vor dem Turnier in der Weltrangliste so schlecht da wie kein anderer WM-Teilnehmer. Dann hat das Team das Auftaktspiel im eigenen Land 5:0 gewonnen. Wäre man böswillig, könnte man jetzt fragen: Bringt Doping im Fußball etwa doch etwas?
Das haben Sie schön gesagt.
Der Fußball-Weltverband hat die russischen Spieler vor der WM aber von jedem Verdacht freigesprochen.
Der Freispruch ist nichts wert. Doping ist für den Fußball einfach ein lästiges Thema. Man möchte sich damit eigentlich nicht befassen und es schnellstmöglich abmoderieren.
Woran machen Sie das fest?
Der Fußball inszeniert sich gern als sauberer Sport. Gedopt sind nur die anderen – Radfahrer, Leichtathleten, Ski-Langläufer. Dabei entsprechen die Kontrollen im Fußball weder in Norm noch Häufigkeit denen anderer Sportarten.
Können Sie das erläutern?
Schauen Sie sich nur mal die Tests bei der WM an. Die Fifa ist dafür selbst verantwortlich, der Welt-Antidoping-Agentur als unabhängiger Instanz wird nicht einmal eine Beobachterrolle eingeräumt. Die Zahl der Proben ist überschaubar, der Zeitpunkt der Kontrollen vorhersehbar. Dazu gibt es in ganz Russland kein akkreditiertes Kontrolllabor – die Proben müssen per Kurier bis Lausanne geflogen werden. Das kostet unheimlich viel Zeit. Ergebnisse sind bei einigen Spielorten wahrscheinlich bis zum nächsten Spiel nicht da.
Einen Sündenfall wird es also auch bei der WM nicht geben?
Einen Fall wie 1994 mit Diego Maradona (positiv auf Ephedrin getestet, Anm. d. Red.) wird es vermutlich nicht mehr geben. Die großen Nationen, mit hohem technologischen Standard, professionellen Techniken, modernen Stoffen werden sich sicher nicht erwischen lassen. Wenn es passiert, dann aus Unerfahrenheit, Dummheit – oder Verzweiflung, unbedingt mithalten zu müssen. Bei Ländern, die im Vertuschen nicht so erfahren sind.
Die Wahrscheinlichkeit steigt also 2026, wenn das Turnier auf 48 Teams erweitert wird und mehr kleine Nationen dabei sind?
Könnte man glauben.
Wie steht es um den deutschen Fußball?
In Deutschland wird sicher besser kontrolliert als anderswo. Aber auch hier hat der Fußball Sonderrechte. In der Bundesliga gab es 2016/2017 249 Kontrollen außerhalb des Wettkampfes. Das heißt, weniger als jeder zweite wird außerhalb der Spiele kontrolliert – im Verlauf einer ganzen Saison.
Andere Sportler wie der Speerwurf-Olympiasieger Thomas Röhler berichten von vernarbten Armbeugen, weil sie fast jede Woche Blut abgeben. Trotzdem stehen sie unter Generalverdacht.
Das scheint in der Fußball-Öffentlichkeit anders zu sein. Das wird sich auch nicht ändern, solang über jede Kontrolle des DFB-Teams berichtet wird. Bei einem sauberen Sportverständnis sollten Tests selbstverständlich sein, und nicht eine Eilmeldung über die Agenturen oder den Twitter-Account der Nationalmannschaft.