Wird Mo Salah bei der WM spielen? Wie groß ist das Risiko bei Manuel Neuers Rückkehr? Und hatte Loris Karius wirklich eine Gehirnerschütterung? Der renommierte Sportarzt Dr. Philip Catalá-Lehnen weiß es.
Dr. Philip Catalá-Lehnen, ehemaliger Mannschaftsarzt des Hamburger SV, ist ärztlicher Leiter des Zentrums für Sportmedizin, Lans Medicum, in Hamburg. Mit seinem Team betreut er zahlreiche Profiteams und Leistungssportler.
Dr. Philip Catalá-Lehnen, der ägyptische Superstar Mo Salah zog sich im Champions-League-Finale eine schwere Bänderverletzung in der Schulter zu. Wird er bei der WM spielen können?
Ich gehe davon aus.
Was macht Sie so sicher?
Er hat sich beim Fallen eine Sprengung des Schultereckgelenks zwischen Schlüsselbein und Schulterblatt zugezogen. Das ist zwar unglaublich schmerzhaft. Wenn mehrere Bänder durch sind, muss man normalerweise operieren. Offenbar ist bei ihm aber nur eins von drei Haltebändern gerissen, deshalb lässt sich das konservativ behandeln.
Dennoch wollen sich die Ärzte nicht festlegen, wie lange es dauert?
In der Regel sollte Salah nach ungefähr sechs Wochen wieder voll belasten können.
Die Verletzung zog er sich am 26. Mai zu. Sechs Wochen Pause würden bedeuten, dass er erst am Wochenende der WM-Viertelfinals wieder einsatzfähig wäre. Vermutlich zu spät für das ägyptische Team.
Die Ärzte wollen ihn zum letzten Gruppenspiel am 25. Juni fit haben. Vier Wochen bei so einer Verletzung sind ambitioniert, aber Salah spielt ja nicht mit seiner Schulter. Für einen Torhüter wäre es schwieriger, als Stürmer muss er nur bereit sein, die Schmerzen zu ertragen. Das größte Risiko bei einem verfrühten Einsatz sehe ich darin, dass die Gegner Salahs Verletzung kennen – und sich sein Handicap zunutze machen.
Sie meinen, dass Sie ihn bewusst an seinem neuralgischen Punkt angreifen?
So etwas passiert. Wir vermeiden es bei uns in der Praxis, farbiges Kinesio-Tape zu verwenden, damit der Gegner nicht noch extra eine Zielscheibe bekommt, in die er beim Zweikampf sein Knie oder seinen Ellenbogen rammt. Wir greifen stattdessen auf hautfarbenes Tape zurück.
Viele Experten spekulierten, Sergio Ramos habe das Foul bewusst so ausgeführt, um Salah aus dem Spiel zu nehmen. Kann ein Profi Zweikämpfe so trainieren, dass er den Gegner bewusst verletzt?
Kann ich mir schwer vorstellen. Bei dem Foul wollte Ramos ein Zeichen setzen, aber er hatte bestimmt nicht im Hinterkopf, Salah aus dem Spiel zu nehmen. Dafür hätte er ganz andere Möglichkeiten und Aktionen.
Der ägyptische Verband ist zuversichtlich, dass Salah rechtzeitig einsatzbereit wird. Ist so ein exaktes Planen und der damit verbundene psychische Druck für die Genesung nicht hinderlich?
Ich halte es eher für förderlich, wenn ein Spieler alles seiner Genesung unterordnet. Es ist nur wichtig, dass Salah erst kurz vor seinem Einsatz wieder voll ins Training einsteigt und bis dahin die oberen Extremitäten schont.
Hinzu kommt, dass gerade Ramadan ist. Ein Problem?
Nein, heute kann ein Profi alle Nährstoffe auch in Form von Tabletten substituieren, was dann keinen Einfluss auf die Vorschriften des Ramadan hätte.