Heute wird der ehemalige Werder-Manager Willi Lemke 75 Jahre alt. Einst war er vor allem für eine Sache bekannt: seinen kalten Hass auf Uli Hoeneß. Ein Rückblick auf die vielleicht schaurig-schönste Bundesligafehde ever.
Wir leben in unruhigen Zeiten, die Welt brennt an allen Ecken und Enden, und doch gibt es diese Tage, an denen der Frieden trotz allem möglich scheint. An denen Erzfeinde das über Jahrzehnte Ausgeschlossene tun – und sich versöhnen.
Der 17. Dezember 2014 war so ein Tag: Die Präsidenten Kubas und der USA, Raúl Castro und Barack Obama, kündigten in gleichzeitigen Fernsehansprachen an, die diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern nach 53 Jahren Unterbrechung wieder aufzunehmen. Und nur zwei Monate später ereignete sich eine ähnliche historische Annäherung, die über Generationen hinweg kaum vorstellbar gewesen war: „Ich würde ihm die Hand reichen“, sagte Willi Lemke am 14. Februar 2015. Der Mann, den er meinte, war für ihn einmal nichts weniger als der „Totengräber des deutschen Fußballs“ gewesen: Uli Hoeneß, der einstige Manager des FC Bayern München. Der natürliche Fressfeind Lemkes, ehemals in gleicher Funktion beim SV Werder Bremen tätig.
Der clevere Kleinunternehmer gegen den plumpen Neureichen
Nun mag es an Hoeneß’ misslicher Lage gelegen haben (Wohnadresse: JVA Landsberg am Lech), dass Lemke sich plötzlich so versöhnlich zeigte, gilt doch im Fußball das ungeschriebene Gesetz, dass man gegen am Boden Liegende nicht nachtritt. Vor allem aber wohl am fortgeschrittenen Alter der früheren Kombattanten: „Wir sind beide nicht mehr 25“, so Lemke im Zuge seines Friedensangebots – Hoeneß ist 63, er selbst schon 68. Da schwindet zusehends die Lust, sich in jeden Zweikampf zu werfen, als gäbe es kein Morgen.
Werder gegen Bayern, Nord gegen Süd, protestantisch gegen katholisch, asketisch gegen barock, klein gegen groß, arm gegen reich: Das war das epische Bundesligaduell der späten Achtziger und frühen Neunziger. Ein Duell, das von Lemke ganz bewusst als sehr ungleiches dargestellt wurde. Den Standortnachteil Bremens gegenüber München bauschte er so geschickt wie ausdauernd zu einer David-gegen-Goliath-Konstellation auf, die auch dann noch verfing, als Werder schon zweimal (1988 und 1993) Deutscher Meister geworden war.
Lemke, das tapfere Bundesligaschneiderlein
Sich selbst produzierte Lemke derweil als cleveren Kleinunternehmer, der mit enormer Improvisationskunst all die Unbill kompensierte, die das Schicksal seinem Verein zumutete. Mit keckem Schnauzbart, runder Brille und lebensbejahender Krawatte sah er aus wie ein Oberprimaner, der gerade das Börsenplanspiel der Sparkasse gewonnen hat. Bei Presseterminen ließ er sich gern mit zwei Telefonen fotografieren, an beiden Ohren je ein Hörer, aus denen Verhandlungspartner ferner Länder zu ihm sprachen, aus Trondheim, Moskau, Wellington. Er gefiel sich als tapferes Bundesligaschneiderlein, das durch List und Tücke (und auch durch Glück) zum König aufsteigt. Und durch die Moral seiner Narration, dass auch Schwache, wenn sie nur einfallsreich genug sind, Großes erreichen können, gewann er die Herzen derjenigen, die in ihrem Leben so oft nur Zweiter geworden waren wie Werder – und nun endlich auch mal ganz oben stehen wollten.