Ein russischer Doping-Papst will die Weltmeisterschaft in Putins Reich platzen lassen. Er behauptet, Staatsdoping in Russlands Fußball nachweisen zu können.
Grigori Rodschenkow hatte den Zeitpunkt für seinen Vorstoß clever gewählt. Ende letzter Woche, also kurz vor der WM-Gruppenauslosung am Freitag im Kreml, ließ Rodschenkow seinen amerikanischen Anwalt Jim Walden sprechen, und zwar mit der „Daily Mail“. Und was Walden da enthüllte, hat tonnenweise Sprengkraft – falls es wirklich stimmt. Er behauptet: Sein Mandant Rodschenkow, Ex-Leiter der russischen Anti-Dopingbehörde, könne beweisen, dass 34 russische Top-Fußballer – darunter zahlreiche Nationalspieler – ein staatliches Dopingprogramm durchlaufen hätten. Auf die Frage, ob Rodschenkow diese Beweise auch preisgeben würde, erklärt Walden: „Ja, und mein Handy ist an und mein E‑Mail-Account ist aktiv.“
Grigori Rodschenkow hat bereits mehrfach schwere Vorwürfe gegen Russland wegen organisierten Staatsdopings erhoben. Derzeit befindet sich der 59-Jährige in einem US-Zeugenschutzprogramm, denn in seiner Heimat wird er von der Justiz gejagt. Zwar ist Rodschenkow von der Bildfläche verschwunden, aber schweigen will er offenbar nicht. Andererseits scheint sich bei der FIFA niemand für seine Behauptungen zu interessieren.
„Sie sind froh, dass ihr Kopf im Sand steckt.“
Der Weltverband erklärte laut „Daily Mail“, man könne Rodschenkow nicht erreichen. Worauf dessen Anwalt spöttisch entgegnet: „Ich kann versichern, dass die FIFA nie versucht hat, mich direkt zu kontaktieren. Ich kenne die FIFA als Organisation nicht gut, aber wenn sie so arbeiten wie viele dieser internationalen Verbände, wollen sie diese Steine sicher gar nicht umdrehen. Sie sind froh, dass ihr Kopf im Sand steckt.“
Zwar ermittelt die FIFA schon seit längerem gegen Russland wegen des Verdachts des Dopings. Doch der Stand der Erkenntnisse wird gut gehütet. Vermutlich haben die Ermittler des Weltverbandes auch nicht viel vorzuweisen. Anwalt Walden, ein ehemaliger Staatsanwalt mit Mafia-Prozess-Erfahrung, erklärt gegenüber der „Daily Mail“: „Wie merkwürdig wäre es auch, wenn die FIFA bestätigen müsste, dass die russischen Fußballer gedopt haben und sie Russland dann von seiner eigenen WM verbannen müsste.“ Diese Perspektive scheint tatsächlich eher unattraktiv für den Weltverband – noch dazu ein halbes Jahr vor Turnierbeginn.
Führte der Chemiker ein Doppelleben?
Fairerweise muss man erwähnen: Whistleblower Grigori Rodschenkow ist eine zwielichtige Gestalt. Der frühere Leichtathlet und promovierte Chemiker experimentierte laut „Spiegel“ jahrzehntelang mit Dopingsubstanzen herum und habe schon immer ein Doppelleben geführt. 2014 half er dem US-Regisseur Bryan Fogel bei der Netflix-Dokumentation „Icarus“. Darin lässt sich Fogel per Selbstversuch für ein Amateur-Radrennen mit Doping vollpumpen.