Die Italiener fahren nicht zur Weltmeisterschaft. Das ist eine Katastrophe für das Land und für Gianluigi Buffon. Einer Legende, die um ihr letztes großes Turnier gebracht wird.
Die Bürger von Carrara sind in der ganzen Welt verteilt und wunderschön anzusehen. Der David, von Michelangelo aus einem einzigen Block geschlagen, in der Galleria dell’Accademia von Florenz. Die vatikanische Pietà in Rom. Oder das Grande Arche de la Défense im Wirtschaftszentrum Paris’. Überall wurde der elfenbeinweiße Marmor aus den Steinbrüchen von Carrara verbaut.
Doch die schönste und stabilste Säule stand bis gestern Abend im Tor der italienischen Nationalmannschaft. Gianluigi Buffon, der berühmteste Sohn der Marmorstadt Carrara, wird im Sommer nicht zur Weltmeisterschaft nach Russland reisen. Italien ist draußen. Ausgeschieden gegen Schweden. Nicht qualifiziert. Und Gigi Buffon ist um sein letztes großes Turnier gebracht worden.
Zeichen des Respekts
Einen guten Sportler erkennt man an seinem Sieg. Einen großen Sportler, darin ist sich der Volksmund einig, erkennt man in seiner Niederlage. So ganz stimmt das aber nicht. Oder: einen großartigen Sportler erkennt man eben nicht in seiner Niederlage, sondern in den Momenten davor, wenn das Fiasko kaum noch abzuwenden ist. So wie gestern, als die Tifosi, die eben noch das Lied der Italiener durch das San Siro gebrüllt hatten, nun während der schwedischen Hymne gnadenlos pfiffen. Zwischen dem ohrenbetäubenden Lärm war eine Melodie nicht mehr zu erkennen. Und auf dem Platz stand Gigi Buffon und klatschte aus vollem Herzen. Als Zeichen des Respekts.
Der 39-jährige Nationaltorhüter muss es gestern Abend schier zerrissen haben, im Willen, seine Karriere im Trikot der italienischen Nationalmannschaft nicht auf diese Weise enden zu lassen. „Arrividerci Italia“, würde die spanische Marca am nächsten Tag titeln, „Buffon hat dieses Italien nicht verdient.“
175 Mal stand er für die „Squadra Azurra“ auf dem Platz seit er im Oktober 1997 – vor zwanzig Jahren – beim WM-Qualifikationsspiel gegen Russland eingewechselt wurde. Schon damals fiel der 19-Jährige auf. Weil er kurzärmlig auf den Platz rannte, während das Thermometer Minustemperaturen maß. Kaltstart.
Jahrelange Treue
Seitdem: Europapokalsiege mit dem AC Parma, seinem ersten Profiverein, dem er jahrelang trotz besserer Angebote die Treue gehalten hatte. Ein Bruch seiner Hand im letzten Testspiel vor der Europameisterschaft 2000, die er zum ersten Mal als Torwart Numero Uno hätte bestreiten sollen. Meisterschaften mit Juventus Turin. Weltmeister 2006. Manipulationsskandal. Zwangsabstieg. Wiederaufstieg. „Supergigi“ nannten sie ihn. Sechs Meisterschaften in Folge. Ein bewegter Mann.
Viele Erfolge, viele Niederlage, viele Gegentore. „Jedes Mal, wenn ich mich umgedreht und dich angesehen habe, habe ich versucht, erhobenen Hauptes deine enttäuschte Miene auszuhalten, und fühlte mich doch meiner Schuld bewusst“, schrieb Buffon einst in einem Brief an sein Tor, nachdem er 973 Minuten ohne Gegentor geblieben war und damit einen 40 Jahre alten Vereinsrekord von Dino Zoff, seinem Vorbild, gebrochen hatte.