Er machte Kunst, die mal magisch, mal brotlos war. Er war so gut, dass er zwei Namen hatte. Er schenkte der Bundesliga elf unvergessliche Sekunden. Heute wird Jay-Jay Okocha 50 Jahre alt.
Kommen Sie nah an den Monitor heran und genießen Sie. Es folgt ein Top-Highlight. Zwölf Ballberührungen für die Ewigkeit. Eine ganze Karriere, runtergebrannt auf elf Sekunden. Ein einziges Tor.
Es war ein Dienstag, der 31. August 1993. 87 Minuten war der fünfte Spieltag der neuen Saison alt, Eintracht Frankfurt führte gegen den Karlsruher SC mit 2:1. Uwe Bein hatte zweimal für den Gastgeber getroffen, Edgar Schmitt für den KSC das zwischenzeitliche 1:1 erzielt. Karlsruhe stürmte, Frankfurt konterte. Im Strafraum der Gäste kam Jay Jay Okocha an den Ball. Und rannte los.
Die Erinnerungen an diesen Moment sind verwaschen. „Mindestens eine Minute lang“, glaubt Bernd Hölzenbein, damals Vize-Präsident der Eintracht, sei Okocha vor dem Tor von KSC-Schlussmann Oliver Kahn hin und her gerannt. „Mindestens neunmal“, glaubt Klaus Toppmöller, damals Trainer der Frankfurter, habe er gerufen „Schieß doch!“ Und Okocha? Der behauptet allen Ernstes: „Ich hatte gar nicht vor, den Ball so lange zu halten.“ Elf Sekunden sind im Profifußball eine Ewigkeit.
Okochas Tor war eine Frechheit. Und ein Geniestreich. Nur ein Tor. Und doch ein magischer Moment. Sehr wahrscheinlich haben diese elf Sekunden über das Schicksal des Fußballers Jay Jay Okocha entschieden.
Hätte der Nigerianer den Ball damals neben das Tor geschossen, den letzten Zweikampf verloren, hätte Oliver Kahn den Ball gehalten, wäre Okocha der Idiot des Abends gewesen. Die Fans hätten sich über eine weitere unnötige Aktion der Fummelkutte beschwert, für den Spieler hätte die Szene Konsequenzen gehabt. „Nach dem Spiel kam Trainer Toppmöller auf mich zu und sagte, dass ich unter ihm nie wieder gespielt hätte, wenn der Ball nicht reingegangen wäre“, erinnerte sich Okocha einst im Interview mit „Süddeutschen Zeitung“. „Und ich hätte Toppmöller in dieser Entscheidung gestärkt“, sagt Bernd Hölzenbein.
„Mit solchen Spielern kannst du keine Bundesligspiele gewinnen“
So aber wurde aus einem Tor ein Mythos. Auch, weil aus Okochas damaligen Widersacher Oliver Kahn später ein dreifacher Welttorhüter wurde. Okocha hatte nicht irgendeine Wurst verarscht, sondern den besten Toreverhinderer seiner Zeit. Das Tor gegen Karlsruhe entschädigte für viele verlorene Bälle und verpasste Tore, machte viele Beobachter blind für das wenig produktive Spiel des Mittelfeldspielers. „Ganz ehrlich“, sagt Bernd Hölzenbein „das, was Jay Jay damals bei uns bot, war meistens brotlose Kunst. Mit solchen Spielern kannst du im Zirkus auftreten. Aber keine Bundesliga-Spiele gewinnen.“ Mit Okocha stieg Eintracht Frankfurt 1996 ab. Der Nigerianer wechselte zu Fenerbahce Istanbul. Doch als die Frankfurt-Fans vor wenigen Jahren die besten elf Spieler der Vereinsgeschichte wählten, war Jay Jay Okocha mit dabei. Bernd Nickel, der für die SGE in 426 Bundesligaspielen 141 Tore erzielt, dreimal den DFB-Pokal und einmal den UEFA-Cup gewonnen hatte, fehlte in der Liste. „Eigentlich ist das ein Skandal“, sagt die Nummer zwei auf dieser Liste, Bernd Hölzenbein