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Dieser Text stammt aus unserer großen 11FREUNDE CHRONIK 2023. Darin bli­cken wir zurück auf die großen und kleinen Geschichten des Fuß­ball­jahres. Erhält­lich im Handel undhier bei uns im Shop.

Fei­erte der deut­sche Frau­en­fuß­ball 2022 bei der EM in Eng­land noch ein rau­schendes Fest voller Auf­bruch­stim­mung, nahm er bei der WM 2023 in Aus­tra­lien und Neu­see­land jeden Zen­ti­meter Fall­höhe mit auf dem Weg zum Boden der Tat­sa­chen. Dabei bra­chen die Frauen des DFB nicht nur für sich selbst nach Down Under auf, son­dern sollten nach der Bla­mage der Männer in Katar das Ansehen des gesamten deut­schen Natio­nal­mann­schafts­ap­pa­rates retten. Es wurde bekannt­lich: nichts.

So über­ra­schend das Vor­run­denaus der deut­schen Frauen gegen die nicht unbe­dingt angst­ein­flö­ßende Kon­kur­renz aus Marokko, Süd­korea und Kolum­bien auch war, so klar zeich­nete sich schon vor Tur­nier­be­ginn ab, dass da etwas nicht (mehr) stimmte in der ver­meint­li­chen Wohl­fühl­oase. Galt ­Mar­tina Voss-Teck­len­burg nach der tollen EM in Eng­land nach außen als die große, mensch­ge­blie­bene Den­kerin im deut­schen Fuß­ball, die mit ihren Spie­le­rinnen ein Maß an Authen­ti­zität und Nah­bar­keit ver­mit­teln konnte, wie es die Männer letzt­mals taten, als die Reporter die ent­klei­deten Kicker noch im Whirl­pool der Kabine filmen durften, knirschte es intern schon lange. Feh­lende Kom­mu­ni­ka­tion zwi­schen Trai­nerin und Team, trotz Kritik aus der Mann­schaft zu viele Spie­le­rinnen auf fremden Posi­tionen, kein echter Plan außer Flanke, Kopf­ball Popp, Tor“ – so die Vor­würfe hinter vor­ge­hal­tener Hand, die sich in der Grup­pen­phase dra­ma­tisch schnell bestä­tigen sollten.

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Eine bei­spiellos rasante Nega­tiv­ent­wick­lung

Was dem Dilemma folgte, war jedoch noch unwür­diger als der spie­le­ri­sche Auf­tritt von Voss-Teck­len­burgs Team bei der WM zuvor: Aus pri­vaten Gründen zog sich die Bun­des­trai­nerin zurück, Aus­kunft gab nur ihr Ehe­mann via Bild“-Zeitung. Später, wäh­rend sie eigent­lich noch im Erho­lungs­ur­laub weilte, trat sie als Red­nerin beim Baye­ri­schen Zahn­ärz­tetag auf – wäh­rend Natio­nal­spie­le­rinnen wie Lena Ober­dorf öffent­lich ihren Unmut dar­über kund­taten, dass das WM-Debakel nie gemeinsam auf­ge­ar­beitet wurde. Der DFB bekam die Situa­tion dank ent­nervter, wortkar­ger State­ments eben­falls nicht mehr ein­ge­fangen. Als Ver­band und Trai­nerin Anfang November die Tren­nung bekannt­gaben, kom­mu­ni­zierten beide Seiten seit Monaten nur noch via Anwalt – und Horst Hru­besch trai­nierte die Mann­schaft bereits inte­rims­weise. Es war das Ende einer bei­spiellos rasanten Nega­tiv­ent­wick­lung, an deren Ende nichts mehr geblieben war vom Glanz und von der Euphorie der eng­li­schen Som­mer­nächte im Jahr zuvor – und die sich nahtlos in die Pleiten-Pech-und-Pannen-Serie des gesamten Ver­bandes ein­fügte.

Ach, ja: Welt­meis­te­rinnen wurden übri­gens die famos spie­lenden Spa­nie­rinnen. Was kurz­zeitig in Ver­ges­sen­heit geriet, weil sich auf der größten Bühne des Frau­en­fuß­balls, unmit­telbar nach Abpfiff des WM-Finals, eine Form des Macht­miss­brauchs abspielte, die das gesamte Tur­nier in der Folge häss­lich ein­färbte. Ein Tur­nier, das höchst pro­fes­sio­nell durch­ge­führt wurde, mit vollen Sta­dien, zumin­dest in Aus­tra­lien, etli­chen sport­li­chen Über­ra­schungen und welt­weit sehr guten Ein­schalt­quoten, an dessen Ende doch wieder mal nur über einen Mann geredet wurde.

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Luis Rubiales, dem inzwi­schen ehe­ma­ligen Prä­si­denten des spa­ni­schen Fuß­ball­ver­bandes, fiel bei der Sie­ger­eh­rung der Spa­nie­rinnen nichts Bes­seres ein, als die Spie­lerin Jenni Her­moso unge­fragt und unsanft am Kopf fest­zu­halten und gegen ihren Willen auf den Mund zu küssen. Rubiales nährte das Nar­rativ vom macht­geilen Ego­manen, der glaubt, seine Posi­tion recht­fer­tige jedes Ver­gehen. Als der spa­ni­sche Ver­band der betrof­fenen Her­moso dann noch in einem von ihr nicht auto­ri­sierten State­ment mil­dernde Worte in den Mund gelegt haben soll, war die Schlamm­schlacht per­fekt. Und die wurde so schmutzig, dass selbst Luis Rubiales’ Onkel Juan seinen Neffen öffent­lich als Mann mit deut­li­chem Macho-Ein­schlag“ bezeich­nete, ihm psy­cho­lo­gi­sche Hilfe und ein soziales Umer­zie­hungs­pro­gramm“ nahe­legte und andeu­tete, was zu dem Zeit­punkt eh alle ver­mu­teten: dass es sich bei dem Kuss-Skandal defi­nitiv nicht um einen Ein­zel­fall in Luis Rubiales’ Vita gehan­delt habe.

Und all das, wäh­rend seine Mutter sich in einer Kirche in den Hun­ger­streik begab, bis ihrem Sohn Gerech­tig­keit wider­fahren würde – schließ­lich sei der natür­lich nur Opfer einer Hetz­kam­pagne gewesen. Wenig später wurde Rubiales von der FIFA für drei Jahre gesperrt. Die Welt­meis­ter­schaft 2023 hin­ter­ließ damit einen faden Bei­geschmack. Und das, obwohl der Frau­en­fuß­ball erneut bewiesen hatte, welch große Fort­schritte er in Sachen Niveau in den letzten Jahren ver­bu­chen konnte. Sieht man mal von den Auf­tritten der deut­schen Aus­wahl ab.