Um für Saisonendspurt und EM fit zu sein, unterzog sich Cristiano Ronaldo einer Behandlung mit Eigenblut, die schnellere Wundheilung verspricht. Ein Experte sieht das anders.
Wenn Cristiano Ronaldo seine Elf gegen Island zum EM-Start auf den Rasen von Saint Étienne führt, schaut ganz Portugal auf den rechten Oberschenkel seines Alphatiers. Wird der Muskel halten? Läuft Ronaldo, anders als im Champions-League-Finale von Mailand, in Frankreich wieder in bester Gesundheit über den Rasen?
Ende April war eine Muskelfaser in Ronaldos Adoniskörper gerissen und mit ihr, so schien es, Madrids Titelhoffnungen in der Champions League. Auch die EM-Teilnahme war in Gefahr. Doch die große Fußballbühne ohne ihren schillerndsten Star — ein realistisches, aber undenkbares Szenario für die Armada an Sponsoren, Fans und Funktionären, die Ronaldo in Aktion sehen wollen. Und so setzte Reals medizinische Abteilung alle Hebel in Bewegung, um ihre fleischgewordene Lebensversicherung wieder fit zu kriegen. Schließlich unterzog sich Ronaldo einer Behandlung, die in den letzten Jahren unter der Crème de la Crème des Profisports en vogue geworden ist. Und bis heute in ihrer Wirkung umstritten.
Keine Belege für schnellere Wundheilung
PRP nennt sich die Methode, Platelet-rich plasma therapy. Hierbei wird einem verletzten Spieler Blut entnommen und dieses zentrifugiert, sprich: mit Hilfe von schnellen Schwingungen in seine Bestandteile zerlegt. Hieraus wird schließlich ein Plasma gewonnen, das eine erhöhte Konzentration an Blutplättchen aufweist. Das Plasma wird dann direkt in die Wundstelle, in Ronaldos Fall also in den Oberschenkel, injiziert. Heißt: Der Körper bekommt die eigenen Stoffe rückgeführt, die ihm zuvor entnommen wurden, nur in anderer Zusammensetzung. Der vermutete Effekt: eine schnellere Wundheilung, vor allem bei Muskel‑, Bänder- und Meniskusverletzungen.
Eine Wirkung, die bis heute nicht bewiesen ist. „Die Wundheilung braucht bei jedem Menschen eine gewisse Zeit — durch solche Maßnahmen kann sie nicht verkürzt werden“, erklärt Perikles Simon, Professor für Sportmedizin an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz. „Zudem ist bis heute nicht sicher, ob PRP einen Nutzen für den Patienten hat.“ Was genau das angereicherte Plasma in der verletzten Körperstelle bewirken soll, sei bislang völlig unklar, sagt Simon. „Es wird propagiert, dass es den Heilungsprozess beschleunigt — Belege gibt es aber keine.“