Der Sozialunternehmer Jürgen Griesbeck konfrontiert die Fifa-Präsidentschaftskandidaten mit Themen abseits ihres Wahlprogrammes. Und will eine alternative Wahl.
Jürgen Griesbeck, wie ist die Idee einer alternativen Fifa-Präsidentschaftswahl entstanden?
Wir haben die Initiative „Unleash Football“ gegründet, um Fußballliebhabern weltweit eine Plattform zu bieten, auf der sie ihre Meinung äußern können. Die Grundfrage ist: Was könnte am Fußball geändert werden, um ihn gesellschaftlich relevanter und sozialer zu machen? Jeder kann seine Ideen dazu einbringen. Wir hatten letzten Sommer nach den Ereignissen rund um die Fifa-Wahl das Gefühl, dass so etwas gebraucht wird und wollten ein eher positiv ausgerichtetes Forum schaffen, an dem sich die Leute beteiligen und äußern und miteinander in Austausch treten können. Jetzt gehen wir mit den Ergebnissen auf die Fifa zu.
Wie viele und welche Menschen haben da mitgemacht?
Meine Organisation streetfootballworld ist ein weltweites Netzwerk an Projekten, die den Fußball nutzen, um jungen Menschen bessere Zukunftsperspektiven zu bieten. Daher haben viele Jugendliche aus dem Netzwerk mitgemacht, viele Projektgründer, aber auch viele Fußballfans. Es waren mehrere hundert Personen mit mehreren tausend Ideen.
Was waren für Sie persönlich die besten Ideen?
Die meisten waren für mich nicht komplett neu. Das Interessante aber ist, dass sich tausende Ideen am Ende auf drei Prioritäten zusammenfassen ließen. Das hat mich überrascht, denn ich dachte die Antworten würden viel diverser werden. Auch überraschend fand ich, dass das Thema „Gemischter Fußball“ so groß war, also die Frage: Warum spielen Männer und Frauen eigentlich getrennt Fußball? Warum findet eine Fußball Männer-WM nicht gleichzeitig mit der Frauen-WM statt, wie es im Tennis Gang und Gäbe ist? Das hat mich zum Nachdenken gebracht.
Mit welchen Themen und Fragen gehen Sie jetzt auf die Präsidentschaftskandidaten zu?
Das erste und meist genannte Thema ist die Geschlechtergleichheit. Da geht es vor allem um den Zugang für Frauen zum Spiel, aber auch um den Zugang für Frauen zu Führungspositionen in Vereinen, Ligen und Verbänden. Und die andere Frage ist, was der Fußball leisten kann und muss für die Entwicklung von Mädchen, deren Selbstverständnis im späteren Leben und deren wirtschaftliche Unabhängigkeit. Die zweite Priorität ist: Wie verteilt man den Reichtum, den der Fußball generiert um, sodass er Zugänge schafft für Menschen, die sonst keinen Zugang zur Gesellschaft finden. Der organisierte Fußball muss ein Verständnis dafür entwickeln, dass er nicht als Industrie erfolgreich ist, ohne dass es eine allgemeine Fußballliebe gibt. Fußball ist ein Kulturgut. Davon profitiert eine Industrie, die eben kommerziell wirtschaftet. Aber die Menschen, die dem Fußball überhaupt erst die Grundlage für das Geschäft geben, die werden nicht dabei berücksichtigt. Es findet kaum ein finanzieller Rückfluss statt.
Und die dritte Priorität?
Wie verbindet man, unabhängig vom Geld, den Profifußball oder den organisierten Fußball mit dem Fußball auf der lokalen Ebene, auf den Bolzplätzen oder den Straßen weltweit. Kann man Partnerschaften zwischen Profitrainern und Trainern aus den unteren Ligen schaffen? Wer soll am Ende Profispieler- oder Trainer werden? Sollten da nicht Elemente eingebaut werden, jenseits des Talents, wie zum Beispiel, dass man mindestens 120 Stunden im lokalen Bereich gearbeitet haben muss, um Profi werden zu dürfen? Und ein weiterer Schwerpunkt ist: Wie kann man überhaupt gewährleisten, dass alle, die möchten, Zugang zum Spiel haben, und das in einer sicheren Umgebung, also nicht auf Straßenkreuzungen oder Müllhalden.