Ein Jahr nach dem 1:7‑Debakel gegen Deutschland steht Brasilien am Scheideweg. Für die Richtung verantwortlich ist Carlos Dunga, genannt „der Deutsche“. Welchen Fußball will er spielen lassen?
Carlos Dunga hat eine lupenreine Bilanz vorzuweisen. Seitdem er das Amt des brasilianischen Nationaltrainers im vergangenen Sommer übernommen hatte, konnte er mit seiner Mannschaft in elf Spielen elf Siege einfahren. Zugegeben, darunter waren zehn Testspiele. Doch zum Auftakt der Copa América gelang der Seleção ein 2:1 gegen Außenseiter Peru. Dunga bleibt also auch in Wettbewerbspartien bei einer hundertprozentigen Erfolgsquote.
Erinnerung an das Katastrophen-Halbfinale
Dass diese allerdings bis zum Ende der Copa hält, daran bestehen ernsthafte Zweifel. Denn allein der knappe Sieg gegen Peru offenbarte einmal mehr, woran Brasiliens fußballerisches Aushängeschild aktuell krankt. In der dritten Minute der Partie gab es ein Missverständnis zwischen Verteidiger David Luiz und Torhüter Jefferson nach einem langen Ball. Perus Christian Cueva staubte ab. Dieses Gegentor erinnerte unweigerlich an die Katastrophenauftritte bei der Heim-WM im letzten Jahr.
Vor Beginn der Copa schrieb die brasilianische Zeitung „Globoesporte“: „Die Seleção kann sich nicht vom deutschen Schatten lösen.“ Damit wurde nicht nur auf das aktuelle Quartier der brasilianischen Mannschaft angespielt. Deren Hotel liegt nämlich in der chilenischen Stadt Temuco an der Avenida Alemania, der Deutschen Straße. Es war natürlich auch eine Anspielung auf die 1:7‑Schmach im WM-Halbfinale. Gewiss hängt die Niederlage von Belo Horizonte immer noch wie eine schwarze Wolke über dem brasilianischen Fußball. Aber die Probleme sind keineswegs auf dieses eine Spiel zu reduzieren.
Wieder in die Depression?
Es war lediglich eine deutsche Mannschaft mit der Unbarmherzigkeit eines routinierten Auftragskillers, die alle Schwächen der Seleção offenbarte. In den letzten vergangenen schien sich das brasilianische Team und mit ihm ein ganzes Land zu erholen. Doch mit einem einzigen Defensivschnitzer wie beim Auftaktspiel gegen Peru droht man wieder in die Depression zu stürzen.