Gerrit Starczewski ist Fotograf und Fußballfan. Dieser Tage ist sein neuer Bildband erschienen, eine herrlich ungeschminkte Annäherung an den Fußballalltag im Ruhrpott. Hier seht ihr exklusiv einige Bilder und lest das Vorwort von Ben Redelings.
Gerrit wird es vielleicht nicht recht sein, dass ich ausgerechnet diese Geschichte erzähle, aber sie beschreibt ihn und seine Arbeit wie keine andere. Wir gehen zurück ins Jahr 2010. Es war ein trüber Tag Anfang Mai, als unser Verein, der VfL Bochum, nach einer Saison der Nackenschläge in der letzten Partie die Chance hatte, alles wieder gut werden zu lassen. Aus eigener Kraft konnte man zu Hause, vor eigenem Publikum den Absturz in die Zweitklassigkeit verhindern.
Wir glaubten an diese Chance, obwohl wir in dieser Spielzeit die hässliche Fratze des Profifußballs bereits mehr als einmal kennen gelernt hatten. Machen wir es kurz. Nach 90 Minuten waren wir abgestiegen. 0:3 verloren gegen Hannover 96. Die hatten sich auf den allerletzten Metern selbst gerettet und feierten nun lautstark auf der anderen Seite.
Gerrit hatte an diesem Tag Fotos geschossen, wie immer. Doch als sich anbahnte, was wir uns in unseren schlimmsten Befürchtungen nicht hatten ausmalen können, hatte er sein komplettes Equipment weggelegt. Die Ereignisse des Tages, die beschämende Dramaturgie auf dem Platz waren zu viel für ihn. Die Zeitungen würden am nächsten Morgen von einem Desaster schreiben – und genau das war es!
Wut, Enttäuschung, Tränen
Gerrit, der in seinen Bildern wie kaum ein Zweiter die Gefühle der Menschen, den besonderen Augenblick in ihren Gesichtern einfangen kann, war selbst zu sehr benebelt von seinen eigenen Emotionen. Nach Spielschluss strich er wie ein Tiger die Meter vor dem Abgang zum Spielertunnel entlang – auf und ab, immer wieder. Wut, Enttäuschung, Tränen.
Und dann sah Gerrit, wie einige Profis des VfL lachten. Sie klatschten sich ab. Umarmten sich herzlich. Gerrit begriff nicht, was er da sah. Hätte er eine Kamera zur Hand gehabt, er hätte wohl abgedrückt, die Situation verarbeitet, den Moment vorbeiziehen lassen. Doch er hielt keine Kamera in den Händen. Er schrie stattdessen vor Wut. Hob seinen Arm drohend in die Höhe. Von hinten stürzte ein anderer Fan heran. Ein leerer Plastikbecher segelte durch die Luft und landete auf dem Spielfeld. Sicherheitsleute packten Gerrit und nahmen ihn in Gewahrsam. Am Ende dieses Tages war unser VfL Bochum abgestiegen und Gerrit hatte ein Stadionverbot von zwei Jahren kassiert.
Jedes einzelne Foto, das Gerrit schießt, ist pure Leidenschaft. Gerrit lebt seine Bilder und liebt seine Motive. Er mag den anderen Blick, die andere Geschichte und die anderen Typen – vermutlich, weil er selbst ein wenig anders ist.
Der Moment war stärker als jedes Bild
Dieser Tag im Mai wird uns ewig verbinden. Gerrit konnte damals keine Bilder mehr schießen, weil die Wirklichkeit seine Gefühle übermannte. Der Moment war stärker als jedes Bild. Es war der Tag, an dem unser Interimstrainer und Bochumer Idol Dariusz Wosz auf der Pressekonferenz hemmungslos weinte. Wäre Gerrit in diesem Augenblick in seiner Nähe gewesen und hätte er eine Kamera in den Händen gehalten, er hätte nicht abgedrückt. Er hätte Wosz lieber in den Arm genommen. Denn Gerrit ist nicht nur ein herausragender Fotograf, sondern auch ein überragender Mensch. Und das sieht man auf jedem seiner Bilder!
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Der Bildband „Der Knipser – 200 Volltreffer“ (284 Seiten, A5-Querformat) ist soeben erschienen. Er kann auf star-photo.de bestellt werden. Hier seht ihr exklusiv einige Bilder aus dem Buch.