Jürgen Klinsmann und Berti Vogts beweisen bei kongeniale Partner beim US-Team, wie Wille Berge versetzen kann. Die Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft .
Die Geschichte beginnt in den späten Siebzigern. Berti Vogts hat seine erste Trainerstation bei der U16 des DFB angetreten. Zu einem Turnier nach Portugal lädt er Jürgen Klinsmann ein. Nach dem Lunch ist Mittagsruhe angeordnet, doch der Schwabe schleicht sich heimlich aus dem Hotel. Als der Übungsleiter Wind davon bekommt, heftet er sich an Klinsmanns Fersen und folgt ihm unbemerkt an den Strand. Doch in Erwartung einer Disziplinlosigkeit, entdeckt er den Bäckersohn wie er dort allein auf einer Klippe sitzt und aufs Meer schaut. Vogts wird nie Wort über den Vorfall verlieren. Erst als ihn im Frühjahr 2014 der Ruf ereilt, als Berater der US-Nationalelf bei der WM zu fungieren, würzt der 68-Jährige im Gespräch mit Spielern seine Erinnerungen an den Trotzkopf Klinsmann mit dieser Anekdote.
Zwei unterschiedliche Lebenswege
Auf den ersten Blick könnten die Gegensätze kaum größer sein. Hier der polyglotte Sunnyboy, den der Fußball zum Weltmann gemacht hat. Der nach bleiernen Jahren die Nationalelf zu seinem Projekt machte und runderneuerte. Wohnhaft in Newport Beach, dem Küstenort, der so exklusiv ist, dass Filmaufnahmen am Strand nur gegen Gebühr gestattet sind, weil Hollywood den Landstrich exklusiv hat. Unser Grinsi-Klinsi, bei dem das schwäbischen Idiom zunehmend mit US-Slang kollidiert. Dort der dröge Wadenbeißer vom Niederrhein, der Kohl-Bewunderer, der nach einer Laufbahn durch alle Instanzen des DFB sein Glück als Trainer in Aserbaidschan sucht.
Jedoch eint die beiden, dass sie als Aktive nie zu den Hochbegabten zählten. Der Trainer Vogts bescheinigte dem Spieler Klinsmann Zeit seiner Karriere große Probleme bei der Ballan- und ‑mitnahme in höchster Geschwindigkeit. Klinsmann war dennoch an allen Titeln des DFB in den vergangenen 30 Jahren beteiligt, weil er mangelndes Talent mit eisernem Willen kompensierte. Vogts seinerseits war des Kaisers Terrier. Ein beharrlicher Köter an den Rockzipfeln der Fußballgrößen. Doch die Hingabe, mit der er diese undankbare Aufgabe verrichtete, machte auch ihn zum Welt- und Europameister.
Es war Vogts, der im Sommer 2004 im Wohnmobil durch Kalifornien kreuzte, als ihn die Nachricht ereilte, Rudi Völler habe als DFB-Teamchef hingeworfen. Bald darauf saß er bei Klinsmann am Pazifik und hörte zu, wie sein Zögling im adrenalingetränkten Duktus über die Reformen dozierte, die der Verband nun nötig habe. Vogts rief DFB-Boss Gerhard Mayer-Vorfelder an und riet ihm, den Wahl-Kalifornier als Bundestrainer zu engagieren. Keine zwei Jahre schwelgte Deutschland im „Sommermärchen“.
Klinsmann nennt Vogts sein „Sounding-Board“
Nun hat sich Klinsmann revanchiert, indem er seinen Förderer zu sich holte und damit zurück auf die große Fußballbühne. Vogts soll als unabhängige Instanz die Matchpläne beurteilen, die der US-Coach erarbeitet. Seiner Phantasie sind keine Grenzen gesetzt: Vogts schlägt Eckballvarianten vor, wenn ein Gegner am kurzen Pfosten schlecht steht, bringt Personalrochaden vor und seziert fehlerhafte Laufwege. Während der Spiele sitzt er auf der Tribüne, weil Klinsmann – Zitat – dessen „Adlerauge“ schätzt, und läuft in der Halbzeit hinunter, um seinem Chef kurzfristig Tipps zuzuflüstern. Klinsmann nennt Vogts sein „Sounding-Board“. „Mit seinem umfassenden Know-How hilft er mir in praktisch allen Bereichen“, sagt er, „und er kennt jeden Gruppengegner im Detail.“
Beide hat ihr Fußballleben gelehrt, wie der Wille Berge versetzen kann. Gemeinsam haben Sie 1996 – Vogts als Trainer, Klinsmann als Kapitän – ein durchschnittliches, von Verletzungen gebeuteltes Team in England zum EM-Titel geführt. Sie wissen, wie man einen Kader auf ein Ziel einschwört – auch wenn dieses zu erreichen fast unmöglich erscheint. Schon vor der WM 2006 beharrte Klinsmann trotz haarsträubender Testspielergebnisse darauf, dass der Titelgewinn möglich sei. „Wenn an einem ganz besonderen Tag alles optimal läuft“, sprach er, „dann, vielleicht, können wir auch große Gegner schlagen“ Auch nach Brasilien ist wieder mit dem extra großen Koffer Optimismus gereist.
Kann die USA auch Deutschland schlagen?
„A group of death“ erwarte seine US-Boys bei der WM, es käme also darauf an „the extra mile“ zu gehen. Wie das aussehen kann, haben die USA mit dem 2:1‑Sieg über Ghana eindrucksvoll bewiesen. Zweimal hatten sie zuvor bei WM-Turnieren gegen die Afrikaner verloren, diesmal ließen sie sich auch durch keinen späten Gegentreffer aus dem Konzept bringen. So ein Sieg im Auftaktmatch kann Kräfte freisetzen kann, der ein Team im Steigflug auf die WM-Reise schickt. Das weiß Klinsmann spätestens seit 2006. Nach dem Match gegen Portugal kommt es am Donnerstag zum Showdown gegen Deutschland. Jürgen Klinsmann, kann Ihr Team auch die deutsche Elf schlagen? „An einem besonderen Tag, ist im Fußball alles möglich.“ Und wer wüsste es besser als die deutsche Elf, die berüchtigt dafür ist, sich selbst noch aus ausweglosen Situationen befreien zu können: echter Wille ist der schwerste Gegner.