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Ver­legen, fast schon pein­lich berührt hielt Ivan Rakitic gemeinsam mit Trainer Unai Emery den Schal in die Kamera. Auf geht’s, für unseren Pokal“, war dort zu lesen. Und: Europa weiß, dass wir es können.“ Im Hin­ter­grund war der Spruch noch einmal über­di­men­sional sichtbar. Er prangte direkt neben dem Logo des FC Sevilla – an einem Flug­zeug.

Die Ankunft der Spa­nier am Dienstag in Turin lief alles andere als bescheiden ab. In der neuen Arena von Juventus spielt Sevilla am Mitt­woch­abend gegen Ben­fica Lis­sabon das Finale der Europa League. Ob die Mann­schaft von Marko Marin und Piotr Tro­chowski daraus als Sieger her­vor­geht, wird nicht von den beiden Deut­schen abhängen. Sie spielen bei Emery keine Rolle mehr und werden mit großer Wahr­schein­lich­keit auf der Bank sitzen. Oder auf der Tri­büne. Marin muss nach der Saison zurück zu Chelsea, Tro­chow­skis sport­liche Zukunft ist unge­wiss.

Sevillas Spiel bestimmt ein anderer: Ivan Raktic, 26 Jahre alt. Das Finale soll zu seiner Bühne werden und eine für ihn per­sön­lich über­ra­gende Saison krönen. Ivan Rakitic ist mitt­ler­weile nicht nur der Kapitän des FC Sevilla, er ist auch der wich­tigste Spieler des Klubs. Einer der Besten in der Pri­mera Divi­sion, wo sonst Lionel Messi, Cris­tiano Ronaldo oder Diego Costa die Schlag­zeilen bestimmen.

Früher zwi­schen Welt- und Kreis­klasse

Ivan Rakitic? Der Ivan Rakitic, der wäh­rend seiner Zeit beim FC Schalke 04 zwi­schen Welt- und Kreis­klasse schwankte, der einmal Tore, so anmutig wie ein Picasso-Gemälde, mit seinem Fuß malte und andern­tags die Flanken hin­ters Tor schlug? Der, der zuweilen phleg­ma­tisch über den Platz trabte und am Ende von Felix Magath für rund zwei Mil­lionen Euro ver­scher­belt wurde?
Genau der!

Nur dass der Ivan Rakitic von einst mit dem von heute nicht mehr viel gemeinsam hat. Abge­sehen vom Talent. Aber das hatten sie bei Schalke auch schon erkannt, als sie ihn 2007 vom FC Basel holten. Rakitic bekam im Laufe seiner Zeit in Gel­sen­kir­chen sogar die pres­ti­ge­träch­tige Nummer 10, sehr zum Miss­fallen von Mesut Özil. Das war mehr als ein Zei­chen damals, es war ein Fin­ger­zeig, wel­chem Spieler der Klub mehr zutraute und auf wen er in Zukunft bauen wollte. Nur konnte Rakitic die in ihn gesetzten Hoff­nungen nie ganz erfüllen. Der ganz große Durch­bruch wollte ihm nicht gelingen. In der Win­ter­pause 2011 verlor Schalke dann den Glauben an ihn.

Füh­rungs­spieler gingen, Rakitic wurde Kapitän

In Sevilla hat Rakitic die Erwar­tungen längst über­troffen. Die Fans lieben ihn für seine Leis­tungen und dafür, dass er spa­nisch mit stark anda­lu­si­schem Dia­lekt spricht. Schuld daran ist seine Frau Raquel, eine gebür­tige Sevil­lia­nerin. Es war im ver­gan­genen Sommer, als die Mit­spieler den Grund­stein für Rakitic’ Leis­tungs­explo­sion legten. Sie wählten ihn zum neuen Kapitän, gerade als Andres Palop, Jesus Navas und Alvaro Negredo das Team ver­lassen hatten – alles lang­jäh­rige Füh­rungs­spieler. Nun sollte Rakitic ihr Anführer sein. Das war ein enormer Ver­trau­ens­be­weis“, sagt Rakitic.
 
Seine Leis­tungen schwankten nicht mehr wie früher, Spieltag für Spieltag lie­ferte er mal gute, meist aber über­ra­gende Leis­tungen ab. Das hing auch damit zusammen, dass Trainer Emery einen festen Platz für ihn gefunden hatte. Rakitic darf nun fast immer im zen­tralen, offen­siven Mit­tel­feld spielen. Mit allen Frei­heiten. Mal lässt er sich etwas tiefer auf die Posi­tion als Achter fallen, mal gibt er eine hän­gende Spitze hinter dem Kolum­bianer Carlos Bacca. Früher musste Rakitic oft auf den rechten Flügel aus­wei­chen, was ihm nie wirk­lich behagte. Im Zen­trum bestimmt er nun den Rhythmus des FC Sevilla, ver­sorgt Bacca mit Pässen und steuert selbst Tore bei. In der Pri­mera Divi­sion kommt Rakitic bisher auf zwölf Sai­son­treffer.

Seit der Win­ter­pause wird sein Name bei vielen großen Klubs in Europa gehan­delt. Paris St. Ger­main soll Inter­esse haben, der FC Liver­pool, auch Bar­ce­lona und Man­chester United werden genannt. Und vor allem Real Madrid soll intensiv um ihn werben. In den ver­gan­genen Wochen hatten einige Zei­tungen in Spa­nien bereits berichtet, dass Rakitic bald als erster Neu­zu­gang für die Saison 2014/15 bei Real vor­ge­stellt werden wird.

Dafür spricht, dass sich Sevilla und Rakitic bisher nicht auf eine Ver­län­ge­rung des bis 2015 lau­fenden Ver­trages einigen konnten. Im Februar sagte Rakitic zwar: Im Moment gibt es nur einen Klub für mich und das ist der FC Sevilla. Ich schätze, was ich hier habe und des­halb gibt es keinen Grund, etwas zu ändern.“ Seitdem schwieg er aber zu seiner Zukunft.

Gefäng­nis­strafe für Sevillas Prä­si­dent

Gut mög­lich, dass Rakitic’ Ver­kauf Sevilla zwi­schen 30 und 40 Mil­lionen Euro ein­bringen könnte. Es wäre ein typi­sches Sevilla-Geschäft. Seit Jahren kauft der Klub aus Süd­spa­nien günstig Spieler ein, ent­wi­ckelt sie weiter, um sie dann für ein Viel­fa­ches zu ver­äu­ßern. Sevilla ist damit einer von ganz wenigen Ver­einen in Spa­nien, die regel­mäßig üppige Trans­fer­ge­winne erwirt­schaften und keine Schulden tilgen müssen.

Die stän­digen Umbau­maß­nahmen am Kader haben der Mann­schaft in der Ver­gan­gen­heit weniger geschadet als erwartet. Nach 2006 und 2007 könnte der FC Sevilla zum dritten Mal im neuen Jahr­tau­send die Europa League bezie­hungs­weise den Uefa-Cup gewinnen. Es wäre das ver­söhn­liche Ende einer tur­bu­lenten Saison. Vor einigen Monaten wurde der lang­jäh­rige Prä­si­dent Jose Maria del Nido wegen Betruges zu einer Gefäng­nis­strafe ver­ur­teilt, dazu wurde der Kader im Vor­feld mit elf Neu­zu­gängen und drei­zehn Abgängen kom­plett umge­krem­pelt. Trotzdem steht Sevilla in der Liga einen Spieltag vor Schluss auf Platz fünf und kann die Europa League gewinnen. Keine Mann­schaft wollte das so sehr wie wir“, sagt Rakitic.

Rakitic vor dem Finale: Wir können ihnen weh tun“

Beim Halb­final-Rück­spiel in Valencia war Sevilla eigent­lich schon aus­ge­schieden, erst ein Tor von Ste­phane Mbia in der vierten Minute der Nach­spiel­zeit brachte die Mann­schaft doch noch nach Turin. Im Ach­tel­fi­nale bog die Elf ein 0:2 aus dem Hin­spiel gegen den Lokal­ri­valen Betis im Rück­spiel noch um und siegte letzt­end­lich nach Elf­me­ter­schießen. Zuvor wurde der SC Frei­burg in der Grup­pen­phase aus­ge­schaltet.

Vor dem Spiel gegen Lis­sabon wurde Rakitic auch zum Fluch des Bela Gutt­mann befragt. Ben­ficas alter Erfolgs­trainer hatte bei seinem Abschied 1962 gezürnt: Ben­fica soll 100 Jahre nichts mehr gewinnen.“ Seitdem wartet der größte Klub Por­tu­gals ver­geb­lich auf einen inter­na­tio­nalen Titel.

Rakitic sagt: Hof­fent­lich hält der Fluch wei­terhin an, aber ich gebe auch nicht zuviel darauf. Wir können ihnen auch so weh tun.“ Und dann sagte Rakitic einen prä­gnanten Satz: Wir sind Sevilla und Sevilla will immer gewinnen.“ Der­ar­tiges Selbst­ver­ständnis kennt man sonst nur von Spie­lern von Real Madrid.