Meine Herren, Ein­tracht Frank­furt spielt nach Jahren end­lich wieder im Euro­pacup. Wie ist die Stim­mung am Main?
Alex Meier: Die Leute freuen sich über die Europa League und sind ein­fach gespannt, was wir reißen können. Aber die Erwar­tungs­hal­tung ist auf einem ange­nehmen Level. Das Publikum ist nicht über­kri­tisch.
Willi Neu­berger: Das war früher anders. Bernd Nickel war einer, der bei Zuschauern nicht ganz so beliebt war. Wenn der drei Fehl­pässe in Folge spielte, wurde er gna­denlos aus­ge­pfiffen. Und zwar in jeder Partie – nicht nur im Euro­pa­pokal.
Meier: Das bleibt uns zum Glück erspart. Nach den Abstiegen sind alle offen­sicht­lich etwas genüg­samer.
Erwin Stein: Moment, Alex, ich bin ja oft auf der Tri­büne. Und die schlimmsten Meckerer sitzen heute im Block der Ehe­ma­ligen.

Erwin Stein, Willi Neu­berger, die Euro­pa­cup­er­folge der Teams, in denen Sie gespielt haben, haben die Geschichte von Ein­tracht Frank­furt nach­haltig geprägt. Welche Rolle spielte Tra­di­tion, als Sie noch aktiv waren?
Stein: Zu meiner Zeit – keine. Die Ehe­ma­ligen traf man ab und an im Sta­dion, aber die Erfolge der Alten waren Anfang der Sech­ziger nicht von Bedeu­tung.
Neu­berger: Das ging uns ähn­lich. Die Meis­ter­schaft von 1959 oder der Euro­pa­pokal 1960 hatten ledig­lich eine nost­al­gi­sche Bedeu­tung. Jede Gene­ra­tion kon­zen­triert sich eben auf die eigenen Erfolge.

Alex Meier, wie oft werden Sie als heu­tiger Spieler mit der Euro­pa­cu­p­his­torie der Ein­tracht kon­fron­tiert? 
Meier: Gar nicht so oft. Die Ver­ant­wort­li­chen wissen, dass die Mann­schaft in den ver­gan­genen Jahren nicht die Mög­lich­keiten hatte, um an dieses Niveau her­an­zu­rei­chen. Des­halb wurde hier kaum über glor­reiche Euro­pa­cup­zeiten gespro­chen. Aber man spürt natür­lich, dass das Umfeld ins­ge­heim schon manchmal von Europa träumt.

Ist die große Ver­gan­gen­heit des Klubs ein Thema in der Mann­schaft?
Meier: Ganz ehr­lich: Was früher war, spielt für mich keine große Rolle. Die Erfolge von Willi Neu­berger und Erwin Stein liegen länger zurück, als ich auf der Welt bin. Und ich bin der Älteste in unserer Mann­schaft.

Willi Neu­berger, Ihre frü­heste Erin­ne­rung an den Euro­pa­pokal mit Ein­tracht?
Neu­berger: Die liegt weit vor meiner Zeit im Wald­sta­dion. Mit 14 saß ich bei meinen Eltern zu Hause vorm Fern­seher. Schwarz-Weiß und zehn Tore, viel mehr weiß ich nicht von dieser Partie. 

Real Madrid besiegte im Lan­des­meis­ter­po­kal­fi­nale 1960 Ein­tracht Frank­furt mit 7:3 – und Erwin Stein erzielte zwei Tore. Woran erin­nern Sie sich kon­kret?
Stein: Jetzt sag nichts Fal­sches!
Neu­berger: Tut mir leid, aber ich war damals Fan von 1860 Mün­chen – Rudi Brun­nen­meier, Fredi Heiß, das waren damals meine Helden. Als Ein­tracht-Anhänger wären mir Erwins Tore sicher­lich deut­li­cher vor Augen.

Und Ihre erste Euro­pa­cup­erin­ne­rung als aktiver Ein­tracht-Spieler?
Neu­berger: Die Ein­tracht war im Herbst 1974 gegen Dynamo Kiew aus dem Pokal­sie­gercup aus­ge­schieden, da las ich im Kicker“, dass der Klub drin­gend neue Spieler sucht. Also bewarb ich mich – und wurde auf Geheiß des dama­ligen Mana­gers und gegen den Willen des Trai­ners genommen.

Es folgten große Jahre.
Neu­berger: Im Jahr darauf waren wir wieder als Pokal­sieger in Europa unter­wegs. Im Halb­fi­nale gegen West Ham United waren wir schon mit einem Bein im Finale.

Aber? 
Neu­berger: Das Hin­spiel hatten wir mit 2:1 gewonnen. Im Rück­spiel bekam Roland Weidle beim Stand von 3:1 für die Briten kurz vor Schluss die große Chance auf den sieg­brin­genden Anschluss­treffer. Aber frei vorm Tor knallte er den Ball an den Pfosten.

Und wurde anschlie­ßend von der Mann­schaft platt­ge­macht.
Neu­berger: Wir waren viel zu kaputt, um uns auf­zu­regen. Tags drauf schrieb eine Zei­tung: Neu­berger flog das Dach weg“. Mit den 8000 Mark, die es für den Einzug ins End­spiel gegeben hätte, wollte ich mir das Dach meines Neu­baus finan­zieren.