In Ausgabe #144 sprachen wir mit Erwin Stein, Willi Neuberger und Alex Meier über drei Generationen Eintracht Frankfurt im Europapokal. Ein Interview über das richtige Getränk nach großen Siegen, Uhren aus Madrid und das beste Finale aller Zeiten.
Meine Herren, Eintracht Frankfurt spielt nach Jahren endlich wieder im Europacup. Wie ist die Stimmung am Main?
Alex Meier: Die Leute freuen sich über die Europa League und sind einfach gespannt, was wir reißen können. Aber die Erwartungshaltung ist auf einem angenehmen Level. Das Publikum ist nicht überkritisch.
Willi Neuberger: Das war früher anders. Bernd Nickel war einer, der bei Zuschauern nicht ganz so beliebt war. Wenn der drei Fehlpässe in Folge spielte, wurde er gnadenlos ausgepfiffen. Und zwar in jeder Partie – nicht nur im Europapokal.
Meier: Das bleibt uns zum Glück erspart. Nach den Abstiegen sind alle offensichtlich etwas genügsamer.
Erwin Stein: Moment, Alex, ich bin ja oft auf der Tribüne. Und die schlimmsten Meckerer sitzen heute im Block der Ehemaligen.
Erwin Stein, Willi Neuberger, die Europacuperfolge der Teams, in denen Sie gespielt haben, haben die Geschichte von Eintracht Frankfurt nachhaltig geprägt. Welche Rolle spielte Tradition, als Sie noch aktiv waren?
Stein: Zu meiner Zeit – keine. Die Ehemaligen traf man ab und an im Stadion, aber die Erfolge der Alten waren Anfang der Sechziger nicht von Bedeutung.
Neuberger: Das ging uns ähnlich. Die Meisterschaft von 1959 oder der Europapokal 1960 hatten lediglich eine nostalgische Bedeutung. Jede Generation konzentriert sich eben auf die eigenen Erfolge.
Alex Meier, wie oft werden Sie als heutiger Spieler mit der Europacuphistorie der Eintracht konfrontiert?
Meier: Gar nicht so oft. Die Verantwortlichen wissen, dass die Mannschaft in den vergangenen Jahren nicht die Möglichkeiten hatte, um an dieses Niveau heranzureichen. Deshalb wurde hier kaum über glorreiche Europacupzeiten gesprochen. Aber man spürt natürlich, dass das Umfeld insgeheim schon manchmal von Europa träumt.
Ist die große Vergangenheit des Klubs ein Thema in der Mannschaft?
Meier: Ganz ehrlich: Was früher war, spielt für mich keine große Rolle. Die Erfolge von Willi Neuberger und Erwin Stein liegen länger zurück, als ich auf der Welt bin. Und ich bin der Älteste in unserer Mannschaft.
Willi Neuberger, Ihre früheste Erinnerung an den Europapokal mit Eintracht?
Neuberger: Die liegt weit vor meiner Zeit im Waldstadion. Mit 14 saß ich bei meinen Eltern zu Hause vorm Fernseher. Schwarz-Weiß und zehn Tore, viel mehr weiß ich nicht von dieser Partie.
Real Madrid besiegte im Landesmeisterpokalfinale 1960 Eintracht Frankfurt mit 7:3 – und Erwin Stein erzielte zwei Tore. Woran erinnern Sie sich konkret?
Stein: Jetzt sag nichts Falsches!
Neuberger: Tut mir leid, aber ich war damals Fan von 1860 München – Rudi Brunnenmeier, Fredi Heiß, das waren damals meine Helden. Als Eintracht-Anhänger wären mir Erwins Tore sicherlich deutlicher vor Augen.
Und Ihre erste Europacuperinnerung als aktiver Eintracht-Spieler?
Neuberger: Die Eintracht war im Herbst 1974 gegen Dynamo Kiew aus dem Pokalsiegercup ausgeschieden, da las ich im „Kicker“, dass der Klub dringend neue Spieler sucht. Also bewarb ich mich – und wurde auf Geheiß des damaligen Managers und gegen den Willen des Trainers genommen.
Es folgten große Jahre.
Neuberger: Im Jahr darauf waren wir wieder als Pokalsieger in Europa unterwegs. Im Halbfinale gegen West Ham United waren wir schon mit einem Bein im Finale.
Aber?
Neuberger: Das Hinspiel hatten wir mit 2:1 gewonnen. Im Rückspiel bekam Roland Weidle beim Stand von 3:1 für die Briten kurz vor Schluss die große Chance auf den siegbringenden Anschlusstreffer. Aber frei vorm Tor knallte er den Ball an den Pfosten.
Und wurde anschließend von der Mannschaft plattgemacht.
Neuberger: Wir waren viel zu kaputt, um uns aufzuregen. Tags drauf schrieb eine Zeitung: „Neuberger flog das Dach weg“. Mit den 8000 Mark, die es für den Einzug ins Endspiel gegeben hätte, wollte ich mir das Dach meines Neubaus finanzieren.