Ronny überwindet die Schallmauer, Braunschweig kann noch gewinnen und der HSV sogar zaubern. Reibt sich verwundert die Augen: unsere 11 des Spieltags. Heute mit Mopeds auf Schützenfesten und Frauentausch-DVDs.
Torsten Lieberknecht
Es war eine helle Freude, Braunschweigs Trainer Torsten Lieberknecht nach dem Treffer zum 2:0 seiner Mannschaft zu beobachten. Mit der Kuntz-Säge im Anschlag rannte Lieberknecht ein paar Meter die Seitenlinie entlang, rannte wieder zurück, klatschte seine Mitarbeiter ab und war kurzzeitig wahrscheinlich der erleichtertste Mensch der Welt.
Alles war wieder in Ordnung, der erste Bundesligasieg seit 1985 war eingefahren und als kleines Sahnebonbon auch noch gegen den ungeliebten Nachbarn aus Wolfsburg, der mit all seiner Konzernkohle und seinen Diegos im Team so etwas wie der Antichrist für die Fußball ackernden Traditionalisten aus Braunschweig sein dürfte. Mit seiner Freude war Lieberknecht natürlich nicht allein, er sei hier aber hervorgehoben, denn das bisher so fürthhafte Abschneiden seiner Elf war dem Coach sichtlich an die Nieren gegangen und hatte ihn an den Rande des Rücktritts geführt. Noch letzte Woche wirkte Lieberknecht so traurig, ratlos und desillusioniert wie Reiner Calmund, als der McRib aus dem Programm genommen wurde. Umso schöner, Lieberknecht nun mit Kuntz-Säge zu sehen.
Domi Kumbela
Endgültig den Deckel auf das Spiel machte übrigens Braunschweigs Aufstiegsheld Domi Kumbela. Es ist dem Aufstiegshelden zu gönnen, denn in dieser Saison kam Kumbela aufgrund von Verletzungen bisher noch nicht so richtig auf die Beine. Eine gewisse Unsicherheit war ihm beim Siegtor noch immer anzusehen, als er frei vor Wolfsburgs Diego Benaglio relativ lange zögerte und den Ball dann hauchdünn am Keeper vorbeischob. Aber auch wenn Kumbela kurzzeitig unsicherer wirkte als Peyman Amin, wenn man ihn auf seine Plateauschuhe anspricht – geschenkt. 2:0 gewonnen, die reichen Kids aus der Nachbarschaft geärgert und nebenher noch ein kleines Stückchen Bundesligageschichte geschrieben – da kann die Saison ja nun endlich auch in Braunschweig losgehen.
Heinz Müller
Bleiben wir kurz bei altgedienten Jubelposen und erwähnen nach der Kuntz-Säge auch den Steffen Freundschen Freudensprint. Diese wundervolle Art des Torjubels legte am Samstag Mainz’ Torhüter Heinz Müller hin, nachdem er in allerletzter Minute das Tor zum 2:2 Ausgleich gegen Hoffenheim vorbereitet hatte. Irgendwie zumindest, denn Müller ging in der Nachspielzeit bei einer Ecke mit nach vorne und hechtete so aufopferungsvoll in den Ball, dass er in einem anderen Leben sicherlich auch einen guten Kamikazeflieger abgegeben hätte.
Tatsächlich köpfte er die Murmel irgendwo vor sich ins Gewusel, von wo aus der Ball dann ins Tor gepressschlagt wurde. Müller rannte selig über den Platz und veranlasste so wahrscheinlich Steffen Freund dazu, von dessen Londoner Couch aufzustehen und seinerseits ausgelassen eine Runde durch den englischen Garten zu sprinten.
Ronny
Bereits letzte Woche war Ronny Gast in unserer Liste, als er die beleidigte Leberwurst spielte und auf der Bank schmollte, während seine Mitspieler ein Spiel gewannen. Diese Woche ist der brasilianische Eisenfuß dabei, weil er eindrucksvoll die erstaunlich Urgewalt zur Schau stellte, die in seinen Beinen schlummert. Ach was, Beine. Wo andere Leute Beine haben, hängen bei Ronny zwei Abrissbirnen. In der achtzigsten Minute eingewechselt, legte sich der Brasilianer nur eine Minute später den Ball zum Freistoß zurecht und in den Gesichtern der Hannoveraner in der Mauer sah man die nackte Panik einer falschen Berufsentscheidung, wie man sie ansonsten höchstens noch von Bankangestellten bim Überfall kennt.
Verletzt wurde glücklicherweise niemand, weil Ronny den Ball einfach über die Mauer in den Willi drosch, mit sagenhaften 119 Km/h. Mit einem solchen Freistoß könnte er Wladimir Klitschko ausknocken. Sein Teamkollege Ben Hatira sagte anschließend im Interview, das sei halt einfach Ronnys Ding. Wir fragen uns: Was genau, bitte? Barfuß gegen Bahnschwellen treten? Unfallwagen mit dem Spann ausbeulen? Auf Safari gehen und ganze Elefantenherden per Freistoß erlegen? Und was heißt eigentlich Abrissbirne auf portugiesisch?
Rafael van der Vaart
Wochen‑, ach Quatsch, monatelang waren die Hanseaten der Sorgendino der Liga und phasenweise hatte man das Gefühl, der HSV würde vor lauter Querelen, schlechten Leistungen und Dauergemoser des Investors einfach implodieren oder sich zumindest kurzerhand selber vom Spielbetrieb abmelden, um sich und allen anderen die ständigen Peinlichkeiten zu ersparen.
Aber siehe da: Ein neuer Trainer übernimmt und nach einem Punkt in der Vorwoche setzte es nun einen beeindruckenden 5:0‑Sieg in Nürnberg. Was im Hamburger Umfeld dazu führen könnte, dass man plötzlich die Qualifikation zur Champions League wieder als ein realistisches Ziel empfindet. Besieht man sich allerdings Rafael van der Vaarts Tor zum 1:0, ist man fast geneigt, zuzustimmen, denn derart schöne Scherenschlag-Tore gehören ganz sicher in die Feinkostabteilung des internationalen Fußballs.
Tolgay Arslan
Nicht nur, dass die Hamburger schwindelerregend hoch gewannen, sie erzielten auch wirklich schöne Tore. Den sahnigen Schlusspunkt auf die Hamburger Klatschentorte setzte übrigens Tolgay Arslan, der einen verunglückten Befreiungsschlag von Nürnbergs Keeper Rafael Schäfer kurzerhand direkt ins Tor wemmste – aus sage und schreibe 41 Metern.
Irgendetwas besonderes scheint Bert van Marwijk mit den Hamburgern gemacht zu haben, denn noch vor zwei Wochen, da sind wir uns sicher, hätte Arslan den Ball wahlweise zur Eckfahne gedroschen, vielleicht sogar zur eigenen, hätte sich beim Luftloch das Kreuzband gerissen oder einen Mitspieler bewusstlos gebolzt. Aber so ist das eben. Wenn es mal läuft, geht eben auch eine 40-Meter-Direktabnahme rein.
Pierre-Michel Lasogga
Als die Hertha kurz vor Transferschluss ihren aufstrebenden Jungstürmer nach Hamburg transferierte und im Gegenzug Per Skjelbred bekam, vermuteten wir zunächst, Michael Preetz habe es sich vor dem heimischen TV mit der Frauentausch-DVD bequem gemacht und sei dann im Laufe des gemütlichen Fernsehabends auf blöde Ideen gekommen. Mittlerweile aber hat sich der Fantasietausch als Win-Win-Situation erwiesen, denn Skjelbred belebt das Spiel der Hertha und Lasogga ochst höchst erfolgreich im HSV-Trikot durch die gegnerischen Strafräume. Schon gegen Frankfurt und im Pokal gegen Fürth netzte der im Körper eines Zuchtbullen gefangene Stürmer, nun legte er gegen Nürnberg einen Hattrick hinterher. Und gleich auch noch den fünftschnellsten der Bundesligageschichte. Gratulation.
Sascha Mölders
Einer, der Pierre-Michel Lasogga in Körperbau, Engagement und allgemeiner Büffelhaftigkeit sehr ähnlich ist, ist unser Redaktionsliebling Sascha Mölders. Nun verlor er zwar mit seinen tapferen Augsburgern gegen Schalke mit 1:4, aber immerhin zeigte Augsburgs Schlachtross mal wieder, warum er bei uns und allen anderen Freunden der harten, schweißigen Fußballarbeit so hoch im Kurs steht. Nicht nur, dass er seinen ersten Saisontreffer schmutzig ins Tor fluggrätschte, er bekam auch noch eine Kopfnuss, musste prompt getackert werden, spielte anschließend mit Turban weiter und mölderte bis zu seiner Auswechselung das Feld hoch und runter. Hätte man ihm einen Pflug um die Schultern gelegt, in Gelsenkirchen könnten sie im nächsten Frühjahr Kartoffeln ernten. Wir wischen uns ehrfürchtig Gras, Schweiß und Kreide aus dem Gesicht und sagen: Mehr Mölders geht nicht.
Adam Szalai
Dass es trotz all der aufopfernden Mölderei doch nicht wenigstens für einen Augsburger Punkt langte, lag auch an Adam Szalai. Der Ungar kam vor der Saison für stolze acht Millionen Euro aus Mainz und schickt sich derzeit an, der beste Ersatzstürmer der Liga zu werden. Natürlich hinter dem König aller Ersatzstürmer, Claudio Pizarro. Dass Szalai derart verlässlich trifft, ist allerdings auch unbedingt notwendig ist, bedenkt man, dass er keinen Geringeren als Klaas-Jan Huntelaar ersetzen muss.
Max Meyer
Auch nicht unbeteiligt am Schalker Sieg war Max Meyer. Der Bub ist erst vor kurzem 18 Jahre alt geworden aber anders als wir, die wir unsere Teenagerjahre damit verbrachten, mit Mopeds auf Schützenfeste zu fahren und Babalou hinter Dorfgemeinschaftshäuser zu erbrechen, verbringt Meyer seine Jugend damit, das neue Next Big Thing der Schalker Spielmacherschule zu sein.
Gegen Augsburg machte er nun sein erstes Bundesligator. Mit ein wenig Glück, als er sich durchsetzte, dafür aber umso cooler, als er schließlich vor Keeper Manninger auftauchte und den Ball trocken am Torwart vorbeischob. Glückwunsch dazu. Wer mit 18 schon so cool ist, kann sicherlich auch den Schützenfest-Babalou ablehnen, ohne dafür von anderen Halbstarken aufgezogen zu werden.
Mats Hummels
Tja, derzeit hat es Mats Hummels wahrlich nicht leicht. Mit eher mäßigen Leistungen in die Saison gestartet und in der Nationalelf auf die Bank verbannt, gab es zuletzt Schlagzeilen wegen eines DFB-kritischen Interviews des Dortmunder Schönlings. Am Samstag gegen Gladbach nun leitete Hummels die Niederlage seines BVB ein, indem er zehn Minuten vor Schluss den Rasen des Borussia-Parks per Grätsche mit Teilen von Havard Nordveits Sprunggelenk düngte. Hummels flog vom Platz, den fälligen Elfmeter verwandelte Kruse zum 1:0. Womit das Spiel, das die Dortmunder eigentlich fest in der Hand hatten, zugunsten der Gladbacher kippte. Kein guter Tag für Dortmunds Abwehrchef. Aber daran dürfte er sich ja in letzter Zeit gewöhnt haben.