Die Kampagne „viaNOgo!“ richtet sich gegen die Kooperation von Schalke 04 und dem umstrittenen Ticket-Zweitverwerter „Viagogo“. Michael Eckl, einer der Organisatoren des Fan-Protestes, über undemokratische Vorstandsmitglieder, die „Legalisierung des Schwarzmarktes“ und eine Extrawurst für Ticket-Verkäufer.
Michael Eckl, Sie sind Dauerkarteninhaber und Allesfahrer von Schalke 04. Was haben Sie bisher gemacht, wenn sie vor einem Heimspiel eine Karte übrig hatten?
Ich habe mich vor dem Spiel an die „1000-Freunde-Mauer“ gestellt und die Karte an einen anderen Schalker zum regulären Tagespreis verkauft. Dauerkarteninhaber konnten außerdem ihr Ticket an der Schalker Kartenbörse hinterlegen, dort wurde es dann ohne Aufpreis an einen anderen Schalker weitergegeben.
Vor der Winterpause kündigte Schalke die „Partnerschaft“ mit dem umstrittenen Ticketdienstleister „Viagogo“ an. Wie wird es dann aussehen?
Dann kann jeder seine Karte doppelt so teuer verkaufen. Die Kartenbörse wird komplett in „Viagogo“ aufgehen. Das Portal kassiert horrende Gebühren, „Zweitmarktverwertung“ nennt sich das – für mich jetzt schon das Unwort des Jahres. Ein Schlag ins Gesicht für alle Schalker. Ab Juli darf sich „Viagogo“ „offizieller Tickethändler von Schalke 04“ nennen. Das ist ein Pakt mit dem Teufel.
Wie haben Sie reagiert?
Zuerst sind wir direkt in Kontakt mit dem Verein getreten. Frank Zellin, Mitinitiator der Kampagne „viaNOgo“, und ich beschäftigen uns schon länger mit Kartenpreisen und den Konditionen von Dauerkarten. Wir sind beide Mitglieder des Kartenausschusses. Bei der letzten Sitzung Mitte Januar sprachen wir Peter Peters (Vorstandsmitglied von Schalke 04, d. Red.) auf das Thema „Viagogo“ an. Als ich mich zu Wort meldete und meine Vorbehalte äußerte, hat Peters mich nicht ernst genommen. Im Laufe dieser Sitzung sagte er noch: „Gut, dass wir auf Schalke keine Demokratie sind.“
Klingt nicht sehr diplomatisch.
Die Schalke-Fans wollen „Viagogo“ nicht. Gelsenkirchen ist eine strukturell sehr schwache Region. Die Leute haben kein Geld für die astronomischen Preise bei einem Internetportal. Peters nimmt die Fans nicht ernst. Das ist eines Vorstands nicht würdig.
Wie ging es weiter?
Wir sind auf die Barrikaden gegangen. Über Nacht haben wir unsere Aktion „viaNOgo!“ ins Leben gerufen. In erster Linie wollen wir die Schalke-Fans darüber informieren, was „Viagogo“ eigentlich ist. Darüber hinaus sammeln wir Unterschriften, um eine außerordentliche Mitgliederversammlung zu forcieren. Dort wollen wir die zukünftige Partnerschaft kippen.
Der Vorstand argumentiert, man bekomme den Schwarzmarkt nicht in den Griff und kooperiere mit dem Ticketportal, um illegale Ticketverkäufe zu kanalisieren.
Im Grunde ist das einfach die Legalisierung des Schwarzmarktes. Inhaber von Karten können ihre Tickets schon jetzt bei „Viagogo“ teuer verkaufen. Ich hab mir stundenlang die AGBs durchgelesen: Das Portal erhebt hohe Gebühren auf Kartenvermittlung. Schalke verdient an dem Deal pro Jahr 1,2 Millionen Euro. Der Deal soll über drei Jahre laufen.
Allerdings will Schalke die Preiserhöhung auf 100 Prozent begrenzen.
Eigentlich ist es laut Schalker Satzung verboten, überhaupt „Karten zu einem höheren als dem Verkaufspreis des Veranstalters zu veräußern“. Wenn der Wachdienst vor Kurzem mitbekommen hat, dass jemand vor dem Stadion seine Karte auch nur zwei Euro teurer verkaufen wollte, wurden dessen Personalien aufgenommen.
Wie lässt sich das mit „Viagogo“ vereinbaren?
Die Satzung wird jetzt einfach geändert. „Viagogo“ wirbt jetzt schon mit Slogans wie „Verkauf deine Dauerkarte für eine Gratis-Stadion-Wurst beim nächsten Heimspiel!“. Klamme Ticketbesitzer werden ihre Karte zum doppelten Preis weggeben. Das steht im krassen Gegensatz zum Leitbild des Malocher-Klubs.
Wie sieht das Leitbild von Schalke aus?
Im Leitbild ist zum Beispiel festgelegt, dass Schalke weder den Vereinsnamen noch die Farben ändern darf. In einem Punkt heißt es: „Schalke ist ein Kumpel- und Malocher-Klub.“ Der Verein solle Fans und Mitgliedern aus allen gesellschaftlichen Schichten die Teilnahme am Vereinsleben den Besuch der Spiele ermöglichen. Weiter heißt es: „Aus unserer Tradition als Bergarbeiter-Verein bekennen wir uns zu unserer sozialen Verantwortung.“
Wie passt das zu einer Kooperation mit einem „Ticket-Zweitverwerter“?
Überhaupt nicht. Wenn „Viagogo“ kommt, sind wir kein Malocher-Klub mehr. Man darf einen Klub wie Schalke nicht kommerzialisieren. Der Verein verkauft seine Werte und tritt sein Leitbild mit Füßen.
Beim letzten Auswärtsspiel in Mainz sammelten Sie bereits Unterschriften. Schalke hat dies jetzt beim Heimspiel gegen Düsseldorf verboten.
Damit hatten wir schon gerechnet. Schalke macht sich bei seinen Fans derzeit ziemlich unbeliebt. Jetzt sammeln wir die Unterschriften vor dem Stadion.
Wie viele Unterschriften benötigen Sie?
Um eine außerordentliche Mitgliederversammlung herbeizuführen, braucht man Unterschriften von zehn Prozent aller stimmberechtigten Mitglieder von Schalke. Das sind etwa 8.100. Unser Ziel sind allerdings 12.000 Unterschriften, das hätte mehr Aussagekraft.
Wie wollen Sie den Deal mit „Viagogo“ kippen?
Wir wollen Druck auf den Vorstand ausüben. Natürlich ist der Deal operatives Tagesgeschäft, deswegen kann nur der Vorstand die Partnerschaft verhindern.
Was passiert, wenn der Vorstand hart bleibt?
Dann stellen wir einen Antrag zur Senkung der Mitgliedsbeiträge. Wenn uns das Geld für Tickets aus der Tasche gezogen wird, müssen wir das Geld an anderer Stelle sparen. Dann wollen wir nur noch einen statt der 51 Euro im Jahr zahlen. Das ist natürlich eher ein symbolischer Antrag: Der Verein soll merken, dass er nicht alles mit seinen Mitgliedern machen kann.
Vor vier Jahren klagte Schalke gegen die Kartenbörse „Seatwave“. Ein Zitat aus dieser Zeit: „Diese Art von Zweitmarkt kann nicht im Interesse von Schalke sein“. Schalkes Verantwortliche ließen sich damals für den „Sieg gegen Tickethändler“ feiern. Wo ist der Unterschied zwischen „Seatwave“ und „Viagogo“?
(lacht) Gute Frage. Es gibt keinen. Was interessiert die Vereinsführung ihr Geschwätz von gestern?
Überall, wo „Viagogo“ auftaucht, regt sich in der Fanszene Widerstand. HSV-Fans waren mit ihrem Protest erfolgreich, die Bayern-Fans ebenfalls. Dort wurde die Kooperationen mit dem streitbaren Ticketportal eingestellt. Haben Sie schon einmal über einen lagerübergreifenden Protest nachgedacht?
Erst einmal wollen wir uns um unseren Herzensverein Schalke kümmern. Anschließend wollen wir unter dem Motto „Viagogo aus dem Fußballstadion!“ eine bundesweite Kampagne starten. Das zwielichtige Ticketportal hat in der Bundesliga nichts zu suchen.
Was passiert, wenn all Ihre Bemühungen erfolglos bleiben?
Wird „Viagogo“ tatsächlich offizieller Ticketpartner, werde ich das Stadion nicht mehr betreten, obwohl ich seit neun Jahren Dauerkarteninhaber bin. Wenn ich eine Werbebande von „Viagogo“ bei meinem Verein sehen muss, bekomme ich Brechreiz.
Die große Reportage „Nicht um jeden Preis“ über den Kampf englischer Fans gegen die überteuerten Tickets in der Premier League und das Vorgehen von „viagogo“ in England lesen Sie in der aktuellen Printausgabe von 11FREUNDE.