Lange Jahre war Alex Meier im Frankfurter Umfeld umstritten, jetzt ist er Leistungsträger, Torjäger und einer der Hauptverantwortlichen für den Frankfurter Höhenflug. Warum? Der Versuch einer Antwort.
Am Dienstag beendete Alex Meier seine lange Fußballkarriere. Anfangs im Frankfurter Umfeld noch umstritten, wurde er über die Jahre zum absoluten Leistungsträger der Eintracht.
„Ich kann die Kritik an ihm absolut nicht nachvollziehen“, zürnte ein erboster Friedhelm Funkel, damals noch Trainer von Eintracht Frankfurt, im Frühjahr 2007. „Sie ist nicht berechtigt. Ich weiß nicht, was man von ihm erwartet.“ Tatsächlich hatte Meier in besagtem Frühjahr eine ordentliche Quote und gerade erst gegen Wolfsburg und Leverkusen getroffen. Er spielte im Mittelfeld einer farblosen Frankfurter Mannschaft, die am Ende der Saison graumäusig die Klasse hielt und niemanden begeistert, aber auch niemanden enttäuscht hatte. Ein ganz normales Jahr der Funkel-Ära, könnte man sagen. Was hatte den Fußballlehrer also derart erzürnt?
Er verstecke sich, hieß es nicht selten
Liest man in den Archiven die Berichterstattung aus jener noch nicht allzu lang vergangenen Zeit, hat man fast das Gefühl, es handele sich um einen anderen Spieler namens Alex Meier. Er verstecke sich, hieß es nicht selten. Er sei phlegmatisch und die Spiele würden zu oft an ihm vorbeilaufen. Wenige Jahre später und in einem Alter, in dem andere Spieler bereits wieder in der Leistung nachlassen, ist der 29-jährige Alex Meier unbestrittener Chef in der Offensive der Eintracht, führt als Mittelfeldspieler die Torjägerliste der Bundesliga an und überrascht die Konkurrenz mit einer spektakulären und erfolgreichen Eintracht, die sich in der Spitzengruppe der Liga festgebissen hat. Ohne Meier, diese Aussage ist nicht allzu gewagt, stünde Frankfurt einige Plätze weiter südlich in der Tabelle.
Allerdings war Meier seit seiner Verpflichtung 2005 immer schon der torgefährlichste Mittelfeldspieler der Eintracht, dennoch war sein Standing in Frankfurt über Jahre äußerst schwierig. Nicht selten wurde der Lange ausgepfiffen, wenn es nicht lief. In seiner herausragenden Klasse lag auch immer seine Verwundbarkeit. Der Unmut von den Rängen setzte meist, und dann fast reflexhaft ein, wenn seine Tore ausblieben. Das Wissen der Fans, dass er es ja eigentlich kann, dass er an guten Tagen das Spiel lenkt und entscheidet, machte ihn die Jahre, in denen er unkonstant spielte, zum ersten auf dem Platz, von dem der Anhang enttäuscht war. Sein unbestreitbares Talent und die Notwendigkeit seiner Tore machten die Fallhöhe für Meier höher als bei anderen Kickern. Wenn einer so viel kann und es so selten zeigt, ist das doppelt enttäuschend. Die schlechten Spiele, die so oft auf die guten folgten, mussten auf die Fans wirken, als stehle sich Meier aus der Verantwortung.
Seit Armin Veh bei Eintracht Frankfurt ist, hat sich einiges geändert. Veh ist ein absoluter Glücksfall für die Eintracht, er hat Ahnung, Autorität und eine gesunde Distanz zum Zirkus Bundesliga. Vor allem aber hat Veh ein Händchen für die Spieler, er weiß, wie er mit wem umzugehen hat. Der Höhenflug des Alex Meier ist auch und vor allem Vehs Verdienst. Veh, der Meier einst schon nach Stuttgart holen wollte, hat den oft zurückhaltend und schüchtern wirkenden Meier kurzerhand zu seinem Glück gezwungen, indem er ihn in die Verantwortung genommen hat. Als nach dem desaströsen und unnötigen Abstieg 2011 die Karten im Kader neu gemischt wurden, hat Veh Meier zum stellvertretenden Kapitän ernannt und ihm so eine moralische Position verliehen, die seinen herausragenden fußballerischen Fähigkeiten entspricht.
Er schlenzt, er schießt, er produziert jetzt Traumtore
Diese Verantwortung bringt Meier nun auf den Platz, ist präsent, kämpft und zum Fixpunkt für die Mitspieler geworden. Vor allem aber zeigt er sich der Verantwortung seinen eigenen Fähigkeiten gegenüber bewusst. Die Traumtore gegen den VfB Stuttgart, als Meier den Ball vom Strafraumeck in den Winkel schlenzte oder sein Tor gegen den SC Freiburg, als er den Ball in einer fließenden Drehbewegung annahm und unhaltbar ins Eck drosch, vor allem auch der selbstverständliche Gang zum Elfmeterpunkt gegen Augsburg zeugen davon, dass Meier selbstbewusster mit dem eigenen Talent umgeht und ausschöpft. „Endlich“, mag der ein oder andere im Frankfurter Umfeld unken.
„Der Junge“, sagte Trainer Veh unlängst recht väterlich, „weiß manchmal gar nicht, was er alles kann. Der kann so viel.“ Derzeit scheint es, als wisse Meier das endlich. Und vielleicht bewahrheitet sich nun auch, was Friedhelm Funkel anno 2007 orakelte, als er Meier vor der allzu herben Kritik zu schützen versuchte: „Meier wird noch wachsen und Verantwortung übernehmen.“ Veh bestätigt seinen Kollegen fünf Jahre später: „Er hat in den vergangenen Jahren mit seiner Persönlichkeit einen großen Sprung gemacht. Das hilft ihm dabei, jetzt besser zu sein als er es jemals war.“ Bei manchen Spielern dauert das anscheinend einfach etwas länger.