Der ehemalige HSV-Profi Pavel Dotchev und Drittligist Preußen Münster scheinen zusammen zu passen wie Arsch auf Eimer. Vor dem 18. Spieltag steht der Traditionsverein auf einem Aufstiegsplatz in der Dritten Liga. Ein Gespräch über den Erfolg von Nachhaltigkeit, herbe Enttäuschungen in Sofia, Emil Kostadinov und die Einzigartigkeit der Preußen-Fans.
Pavel Dotchev, vor fast einem Jahr haben Sie das Traineramt in Münster übernommen. Sowohl im Klub, als auch im Umfeld wurde damals heftig gestritten, die Stimmung war aufgeheizt. Waren Sie überrascht von dem Ausmaß?
Ich war sowohl überrascht, als auch ein wenig irritiert über die Schärfe der Diskussion. Das war in der Tat eine extreme Phase, in der einige Beteiligte vermutlich an ihre Grenzen gestoßen sind. Die Folge: Das Team war total verunsichert. Ich bin daher unheimlich froh, dass wir gemeinsam die Kurve bekommen haben.
Was zeichnet die Preußen-Fans aus?
Unsere Anhänger sind einmalig! Ich kann das beurteilen, denn ich habe in meiner Karriere bereits so einige Vereine kennengelernt (Dotchev spielte u.a. bei Lokomotive Sofia, dem HSV, Hansa Rostock und Holstein Kiel, d. Red.). Eine derartige Identifikation und Leidenschaft habe ich zuvor bei keinem meiner Klubs erlebt – das ist großartig. Wir müssen hier eher aufpassen, nicht zu leidenschaftlich zu werden (lacht).
Was schätzen Sie an dem Klub?
Ich liebe diese Kombination aus Tradition und Moderne. Fankultur, Stadion, Umfeld – das passt einfach. Ich will aber nicht verschweigen, dass unsere Fans auch kritisch sind, die schauen ganz genau hin, was in ihrem Klub so abgeht. Das gefällt mir.
Vor dem 18. Spieltag steht Preußen in der Dritten Liga auf Platz zwei hinter dem VfL Osnabrück. Die Anhänger träumen bereits vom Aufstieg in die Zweite Liga. Haben Sie manchmal den Eindruck, Sie müssten die Euphorie in der Stadt bremsen?
Auf keinen Fall. Das wäre lächerlich. Eher wollen wir diese Stimmung für uns nutzen, wir wollen auf der Euphoriewelle schwimmen! Die fantastische Unterstützung der Fans kitzelt sicherlich bei jedem Spieler ein paar Prozentpunkte heraus.
Wann geben Sie das Ziel „Aufstieg“ aus?
Gar nicht. Was würde uns das bringen? Mir ist viel wichtiger, dass die Mannschaft eine Siegermentalität an den Tag legt. Ich will ein Team sehen, dass in jedem Spiel auf Sieg spielt. Zaghaftes Defensivspiel ist nicht meine Welt. Besitzt eine Mannschaft eine solche Mentalität, ergibt sich der Rest von selbst. Realistisch wäre der Aufstieg in einem Jahr. Passiert es früher, umso besser. Aber: Wir können nur Woche für Woche Gas geben und schauen, was dabei herauskommt. Den Druck haben die Anderen.
Ist Zweitligist Eintracht Braunschweig ein Vorbild? Der Verein stieg 2011 in die Zweite Liga auf, schaffte in der Folgesaison den Klassenerhalt und führt derzeit souverän die Liga an.
Auf diese Stufe sollten wir uns noch nicht stellen. Bei der Eintracht arbeiten die Verantwortlichen bereits seit Jahren in derselben Konstellation zusammen – das ist ein großer Vorteil. Sie haben sich von Jahr zu Jahr verbessert – in nahezu allen Bereichen. Davor kann man nur den Hut ziehen. Unser Team ist neu zusammengestellt, um das Wort „zusammengewürfelt“ zu vermeiden. Braunschweig besitzt ein besseres Fundament, das sich die Verantwortlichen dort auch hart erarbeitet haben. Wir haben im Vergleich mit Braunschweig noch einiges nachzuholen.
Kontinuität als Schlüssel zum Erfolg?
Unbedingt. Vor einer Saison viel Geld raushauen und dann kurzfristig oben mitspielen, das kann beinahe jeder. Aber sich mit bescheidenen Mitteln Schritt für Schritt nach oben arbeiten und dabei die eigene Identität pflegen – das hat Stil! Deshalb habe ich auch nur lobende Worte für meinen Kollegen in Braunschweig übrig. Dort wächst etwas Nachhaltiges. Das verdient höchsten Respekt.
Sie waren vor Ihrem Engagement in Münster fast ein Jahr lang arbeitslos – war das die schlimmste Zeit Ihrer Karriere?
Das war in der Tat eine schwierige und sehr belastende Zeit.
Hat sich Ihre Einstellung zu dem Beruf zu jener Zeit verändert?
Ein wenig schon. Ich will aber auch etwas klarstellen, denn damals waren auch viele Missverständnisse und Gerüchte im Umlauf. Ich ging 2010 zurück zu meinem Heimatklub ZSKA Sofia (bulgarischer Rekordmeister, Anm. d. Red.), um zu helfen. Präsident Emil Kostadinov (Ex-Bayern-Profi, d. Red.) hatte mich angerufen und gefragt, ob ich mir das vorstellen könne. Ich sagte: „Ja, ok, das ist eine Herausforderung, ich bin dabei.“
Sie hatten sich die Arbeit in Sofia aber anders vorgestellt?
Eindeutig! Die Voraussetzungen waren unprofessionell und unseriös, würde ich sie als „korrupt“ bezeichnen, läge ich auch nicht komplett falsch. Nach zwei Monaten war mir klar: Hier habe ich nichts zu suchen. Ich löste meinen Vertrag kurze Zeit später auf. Das war eine Riesenenttäuschung.
Einen Monat wurden Sie Trainer beim SV Sandhausen – ein halbes Jahr später waren Sie schon wieder entlassen. Warum hat es mit Ihnen und Sandhausen nicht funktioniert?
Ich bin dort einfach zu schnell eingestiegen. Ich hatte den Kopf offenbar noch nicht frei. Das ist der einzige Punkt, den ich zu jener Zeit falsch gemacht habe. Ich wollte dort etwas verändern, eine neue Linie reinbringen, ich dachte langfristig. Zunächst hatte ich die Mannschaft stabilisiert, ihr Gesicht verändert. Dann wurde ich leider nicht ausreichend unterstützt, sondern eher blockiert. Das hat einfach nicht gepasst. Ich fühlte mich auch nie wirklich wohl in Sandhausen.
Weshalb nicht?
Ein Alltags-Beispiel: Ich ging nach dem Training vom Platz, als plötzlich ein Zuschauer auf mich zu kam und ernsthaft behauptete, ich würde zu viel trainieren. Das sind Situationen, denen man als professioneller Trainer fassungslos gegenübersteht.
Sofia, Sandhausen – zwei große Enttäuschungen. Was haben Sie daraus gelernt?
Ich bekam anschließend zwei weitere Angebote, die ich dankend abgelehnt habe. Ich wollte nicht schon wieder etwas überstürzen, sondern absolut überzeigt sein von einer neuen Aufgabe. Vorher hätte ich wahrscheinlich bei einem der Angebote spontan zugesagt. Mir wurde mal wieder deutlich: Passt das Umfeld nicht, ist der Trainer auf verlorenem Posten. Das Gegenteil sieht man jetzt hier in Münster. Die Arbeit macht mir Riesenspaß.
Welche langfristigen Ziele verfolgen Sie in Münster?
Kein Trainer kann die nächsten fünf, sechs Jahre vorausplanen. Trotzdem ist es mein persönliches Ziel, mit Preußen Münster aufzusteigen, den Klub in der Zweiten Liga zu etablieren, Tendenz: Bundesliga. Auch wenn der eine oder andere diese Aussage für übertrieben hielte: Münster hat ein enormes Potenzial. Dieser Klub hat langfristig das Zeug in der Bundesliga zu spielen. Natürlich rede ich jetzt nicht über die kommenden zwei, drei Jahre. Aber: Was hat zum Beispiel der SC Freiburg, was Preußen nicht hat? Oder: Im letzten Jahr spielte der SC Paderborn lange Zeit um den Aufstieg in die Bundesliga mit. Warum sollte nicht irgendwann Preußen oben mitmischen? Es ist alles eine Frage der Kontinuität und Professionalität.