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Toni Schu­ma­cher über…

.…das WM-Finale 1986:

Du bist der beste Tor­wart der Welt. Du wirst jeden Ball halten. Du bist ein Raub­tier… So habe ich das beim auto­genen Trai­ning gelernt. Das Spiel beginnt. Ich lauer rechts, links, keine Spur von meiner Beute, zwanzig unend­liche Minuten lang. Der Hunger nach dem Ball wird immer größer, gie­riger. Nichts da!



Und dann kommt der Moment des fatalen Frei­stoßes von der Seite, der zum ersten Tor führt. Ein Argen­ti­nier legt sich den Ball fuß­ge­recht hin. Meine Beute! Sie fliegt in meine Rich­tung. Jetzt holst du dir deine Beute, egal was kommt. Den Ball kriegst du. Den schnappst du dir!“ Flanke. Ich schieße vor. Nach dem ersten Schritt weiß ich es: Den kriegst du nicht.

Hun­derts­tel­se­kunden dauern Ewig­keiten. Ich segle durch den Straf­raum wie Lohen­grin, der seinen Schwan ver­paßt hat. Letzte Hof­fung: Viel­leicht kriegt ein Deut­scher den Ball auf den Kopf.“ Der liebe Gott hat es aber wohl nicht so gewollt. Eine argen­ti­ni­sche Stirn kam dazwi­schen. Ich sehe das Leder ins Tor fliegen und schreie stumm nach innen auf.

Toni Schu­ma­cher über…

…„soziale Außen­seiter“

Sozialer Auf­stieg durch Sport. So war das für mich. Ich sah auch Par­al­lelen zu anderen sozialen Außen­sei­tern. Sind nicht die meisten olym­pi­schen Springer und Sprinter Neger? Wie sie jagte auch ich hinter der Anner­ken­nung her. Noch heute ist mir schlei­er­haft, wieso nicht alle Schwarzen in irgendwas Welt­meister sind.

Anfang der 80er Jahre hatten wir in Köln im Verein einen jungen Far­bigen. Toni Baffoe war 18 Jahre alt, spielte im A‑Jugend Team und wollte gerne Profi werden. Seine Leis­tungen waren zu unbe­ständig, er war schnell ent­mu­tigt und neigte zu Selbst­zwei­feln. Damit brachte er mich in Rage.

Hör mal zu“, schüt­telte ich ihn. Wenn ich schwarz wäre, was für viele soviel wie Dreck bedeutet, wenn ich so wie du ganz unten säße, dann wäre, ver­dammt noch mal, meine Haut­farbe schon Grund genug, der beste Fuß­baller der Welt zu werden…“

Toni Schu­ma­cher über…

…all­abend­liche Tanz­ver­gnügen

Abschluss­ball nach dem Tanz­kurs. Ich war sech­zehn. Hatte Schüch­tern­heit und Tan­go­schritt erfolg­reich über­listet. Die Mäd­chen waren nett – meine Fin­ger­nägel blitz­blank. Ich genoß den Umgang mit gepflegten Alters­ge­nossen, Cola, und Sprudel sowie ein paar Eifer­suchts­rau­fe­reien. End­lich der erwar­tungs­voll ersehnte Abschluß­ball. Das erste gesell­schaft­liche Ereignis. Und das erste Kleidungs-„Drama“.

Mein Kom­mu­ni­ons­anzug paßte schon längst nicht mehr. Gleich­alt­rige Cou­sins, bei denen ich mir einen Anzug hätte aus­leihen können, hatte ich auch nicht. Es blieb nur Vaters guter Dun­kel­blauer. Kommt nicht in Frage“, pro­tes­tierte ich bei Mutter. Vaters Anzug sieht an mir aus wie ein Sattel auf nem Schwein. Ich will einen eigenen!“

Und mit wel­chem Geld willst du den bezahlen?“ fragte Mutter. Du bist wohl ein biß­chen grö­ßen­wahn­sinnig.“ Zäh­ne­knir­schend zog ich in Vaters frisch Auf­ge­bü­geltem los – mit Hosen­trä­gern, weil die Hose viel zu weit war. Unter all den fein­ge­machten und her­aus­ge­putzten Mit­schü­lern fühlte ich mich wie der Dorf­prolet. Selten habe ich mich so elend gefühlt.

Ich kam mir vor wie ein weißer Neger“ – und war fest ent­schlossen, mich dieser Haut schleu­nigst zu ent­le­digen.


Hin­weis der Redak­tion: Alle Text­aus­züge sind wört­liche Zitate aus dem Buch Anpfiff. Ent­hül­lungen über den deut­schen Fuß­ball“ (256 S., Droemer Knaur, 1987) und ent­spre­chen nicht der Mei­nung von 11FREUNDE.