Die 11FREUNDE-Dienstagskolumne: Jede Woche machen sich Frank Willmann, Lucas Vogelsang, Titus Chalk und Frank Baade im Wechsel Gedanken über den Fußball, die Bundesliga und was sonst noch so passiert. Dass unser heutiger Kolumnist, der Buchautor und Ostfußball-Experte Frank Willmann überhaupt noch Zeit für eine Kolumne hat, ist ein Wunder. Sein neuestes Werk heißt „Zonenfußball“ („Verlag Neues Leben“.)
Schrecken in Deutschland! In Bälde ruhet der Ball komplett, und blonde deutsche Maiden mit dicken Knarren hasten auf Brettern durch den Schwarzwald. W‑I-N-T-E-R-P-A-U-S‑E – heißt das Unwort des distinguierten Fußballfreundes. Welcher weiche Freak hat diese Scheiße erfunden? Unsere Erdenzeit ist knapp bemessen. Ich falle zurück in pränatales Siechtum!
Die Glotze wird beherrscht von zufriedenen urbayerischen Weiberlein. Mit dicken Pullis an. Sie glotzen blöd und dauerfidel aus dem Heimkino und palavern Unverständliches. Uns galanten Hengsten des Fußballsports bleibt nur der Blick in die Glaskugel.
Die Bundesliga bleibt Ostfußballbefreite Zone
Und was sagt uns Beutegermanen mit der Impertinenz des falschen Geburtsorts das Kügelchen? Eins ist sicher: es wird auch 2012 so weiter gehen. Die Bundesliga bleibt Ostfußballbefreite Zone. Die Fans zwischen Saßnitz und Suhl sind im einundzwanzigsten Jahr nach der Wende vom großen Fußball abgeschnitten.
Sind wir dafür auf den Boulevard gegangen, um auf ewig zweiter Sieger sein zu dürfen?, frage ich biestig und knirsche mit den Zähnen, wenn ich mir die Tabellen der höchsten deutschen Spielklassen anschaue. Die brave Tante Hertha liegt im inneren Auge des Brandenburger Bären und möchte gern Hauptstadtklub sein. Als Ostklub versteht sie sich nicht, das könnte unter Umständen an ihrer Verwurzelung im alten Westberlin liegen.
Brotkörbe und Wasserkrüge statt Sekt und Kaviar
Sie ist Lichtjahre davon entfernt ein Spitzenklub zu sein. Schafft es ja nicht mal den eigenen Trainer bei Laune zu halten. Aber sie kicken in der Bundesliga, dem Paradies wo Ruhm und Euro fließen. Und der Rest der ostdeutschen Gemeinde? Nichts als zweit- bis drittklassige Trübsal. Einige der ruhmreichen Vereine, die vierzig Jahre den Fußball im Osten prägten und groß machten, sind komplett aus der kunterbunten Fußballwelt verschwunden. Brotkörbe und Wasserkrüge statt Sekt und Kaviar.
Und wenn dann heute mal einer in Dresden, Rostock oder Leipzig austickt, kommen die Paten des Mammons sofort mit der chemischen Keule. Als hätten DFB und DFL nicht genug vom Ostfußball profitiert. Von 1990 bis 1991 ausdauernd mit der Dampfwalze drüber, bis auch das letzte Talent die verbrannte Erde verlassen hatte und in den Westen gegangen war. Nach endlosem Nichtstun seitens des DFB wurde – viele, viele Monde nach der politischen Wende – der Fußball erst Ende 1990 wieder gesamtdeutsch. Ab der Saison 1991/1992, als sich kaum noch etwas im Fußballosten regte, wurden barmherzig ganze zwei DDR-Klubs in die Bundesliga aufgenommen. Sechs weitere kamen in die 2. Bundesliga, die sie alsbald wieder durch die Hintertür verließen. Der Rest verschwand einfach im fußballerischen Nichts. Erübrigt sich jede Frage nach grandiosen ostdeutschen Sympathien für den Großen Fußballbruder DFB.
Dresden wird aktuell wegen der garstigen Vorfälle seiner Fans in Dortmund mit einer DFB-Pokalsperre im kommenden Jahre bestraft. Das kann für einen klammen Verein der entscheidende Sargnagel sein. Wichtige Einnahmen im ewigen Kampf gegen die Großkopfeten des gelackten deutschen Fußballs werden fehlen. Ein paar Wochen später gab es beim Derby zwischen Schalke und Dortmund Ausschreitungen inklusive Schalker Pyroshow im Stadion. Schwer bestraft dafür wurde keiner der Vereine. Wieso eigentlich?
Ausgerechnet die Bayern kümmern sich ums Pflänzlein Ost
Es kommt noch schlimmer, ausgerechnet Bayern München muss ich vom Zetern ausnehmen. Die gehen seit Jahren schon fett mit der Gießkanne über das verkümmerte Pflänzlein Ostfußball. Liegt wohl daran, dass dieser Verein auf Führungsebene von Kapitalisten mit menschlichem Antlitz bestimmt wird. Wobei letztens auch der FC St. Pauli eine feine Klinge spielte. Jeweils 5000 Euro werden an das Dresdner sowie das Hamburger Fan-Projekt gehen. Dies wurde nach dem Spiel gegen Dynamo verkündet, das Dresden präventiv ohne eigene Fans bestritt. 5000 Euro, lächerlich wenig Geld im Vergleich zu der Summe die beispielsweise Haareschön Gomez abgreift.
Ihr rüstigen Rentner des DFB samt politisch interessierter Freundeschar! Merkt ihr nicht, dass ihr den Ostpöbel mit euer Politik der neunschwänzigen Katze direkt in die Arme des Gegners treibt? Wenn einer immer nur die letzte Laterne in die Hand gedrückt bekommt, ist nur noch Fasching im Gehirn.
Guido Westerwelle kommt dann auch noch
Zeigt endlich Köpfchen und begnadigt Dynamo Dresden. Setzt Zeichen der Vernunft, haut euch mit den hervorragend abreitenden Fanprojekten und anderen Profis der Fanarbeit und Fanforschung an einen Tisch und lasst die Politiker zu Hause. Typen vom Schlage eines Guido Westerwelle könnt ihr immer noch aus der Tüte zaubern, wenn’s darum geht kommenden Erfolg zu verkünden.
Jetzt geht’s um Schadensbegrenzung größeren Ausmaßes. Theo, am Wochenende ist Pogo unterm Weihnachtsbaum. Zieh eine milde Gabe für Dynamo aus dem Sack und dann ab hinter die Kulissen mit dir!