„Intoniert wurde 1954 im Wankdorf-Stadion in Bern die erste Strophe des Deutschlandliedes, die ich auch heute noch bei Länderspielen voll mitsinge“: Dieser Satz aus dem neuen Buch von Ex-Manager Reiner Calmund bringt dem Fußball-Schwergewicht derzeit jede Menge PR. Schließlich ist jene erste Strophe eng mit den Nazis und dem Dritten Reich verbunden. Großes Aufregung war die Folge, der Verlag ließ jetzt sogar Restbestände der ersten Auflage einstampfen. Warum der Satz überhaupt in einem Buch über das Abnehmen auftaucht, ist bisher unklar. Doch Achtung, dieser Fauxpas ist nicht der einzige Hingucker, der beinahe im Calmund-Machwerk aufgetaucht wäre.
11FREUNDE liegt der unzensierte Originaltext des ersten Kapitels aus dem Calmund-Buch vor. Und der zeigt, wie schonungslos Reiner Calmund über sich, seine Essgewohnheiten und seine Kindheit geschrieben hat. Aber, lest selbst.
Kapital I
„Brühl im Glanze, dieses Glückes“
Hallo liebe Freunde,
ich bin Reiner Calmund, aber alle nennen mich Calli. Ich war der beste Manager der Bundesliga, mehrfacher Vize-Meister, Vize-Champions-League-Sieger, Vize-Pokalsieger, habe tolle Brasilianer nach Deutschland geholt, Jorginho, Lucio, Zé Roberto, Paulo Rink, klasse Jungs, sind alles hervorragende Fußballer geworden bei meinem Herz- und Magenverein Bayer Leverkusen, mein Klub, meine Familie, toll, toll, toll. Und ich war immer mitten drin, ich, der Calli aus der Arbeitersiedlung im beschaulichen Brühl, im Rheinland, tolle Gegend, tolles Essen, herzliche Menschen, für die ich jederzeit meine Hand ins Feuer legen würde – aber natürlich erst, nachdem ich die Gabel zur Seite gelegt habe. Klasse.
In diesem Buch soll es ums Essen gehen. Meine zweite Leidenschaft neben dem Fußball, hmmm, lecker. Denn es gibt so viele feine Sachen: Geschnetzeltes mit Rahmsauce zum Beispiel, schön angebraten in einem Pfund Butter, zwei Bleche Lasagne al forno dazu, ein Traum. Oder Sauerbraten mit Knödeln, schön tagelang durchgekocht, dazu eine Schubkarre Rotkohl mit Gummibärchen. Als Vorspeise dann ein paar Schinkenröllchen, schön nen ganzen Schinken in Käse gerollt, zwei, drei davon vorweg, zum Anfüttern, herrliche Sache, ganz mager, sage ich euch, das habt ihr noch nicht gesehen. Weltklasse.
Aber es gibt tatsächlich auch Sachen, die ich nicht esse. Zum Beispiel Graupen, denn davon habe ich in der Bundesliga zu viele kommen und gehen sehen. Nur ein kleiner Scherz meinerseits. Der musste sein, so bin ich, der Calli. Klasse. Herz, Lunge und Nierchen, die ganzen Innereien eben, esse ich auch nicht. Diese Pampe kriege ich einfach nicht runter, höchstens als Eintopf, schön mit Sauce Hollandaise dabei, ein paar Pakete Hanuta zum Dippen, lecker. Und ich mag kein Kaninchen. Ja, fragt ihr euch jetzt, der Calli isst kein Kaninchen? Dabei sind die doch richtig lecker.
„Auch ich hatte ein paar Häschen am Laufen“
Das mag sein, aber es gibt einen guten Grund, warum Kaninchen mir nicht auf die Teller kommt: In der Arbeitersiedlung, in der ich groß geworden bin, damals in Brühl, im Rheinland hatte fast jeder ein paar Kaninchen im Stall. Sonst hatte man ja nichts. Nicht mal eine Fritteuse, aus der man sich mal ein schönes Tässchen heißes Fett abzapfen konnte, um sich aufzuwärmen, wenn es mal wieder durch alle Ritzen zog und die ganze Familie am frittieren, äähm, frieren war. Und auch ich, der kleine Calli, hatte natürlich ein paar Häschen am Laufen: Hansi und Fritz. Die habe ich gehegt und gepflegt, schön mit Salatblättern, Löwenzahn und dem ganzen anderen Grünzeug. Die waren so lieb. Deswegen bringe ich es bis heute nicht über das Herz, Hasen zu essen. Und schon gar nicht, als auch noch der echte Fritz, also Fritz Walter, 1954 die deutsche Nationalmannschaft zum Weltmeistertitel geführt hat. Mensch, plötzlich waren wir wieder wer. Da konnte ich doch nicht meinen eigenen Hasenkapitän zum Anbraten frei geben. Wo kommen wir denn da hin? Aber ich erinnere mich genau noch an die Situation: Intoniert wurde 1954 im Wankdorf-Stadion in Bern die erste Strophe des Deutschlandliedes und alle haben sie mitgesungen: Oma, Opa, Mama – nur ich nicht, weil ich mir gerade einen Laib Brot mit Schuhcreme bestrichen hatte, Nutella gab es ja noch nicht. Trotzdem lecker.
Bis heute singe ich die Hymne aber noch bei Länderspielen voll mit: „Brühl im Glanze, dieses Glückes…“, obwohl ich mich schon immer gefragt habe, warum ausgerechnet meine Heimatstadt, das schöne Brühl im Rheinland besungen wird.
Wie dem auch sei, nach so vielen tollen Geschichten aus meiner Kindheit kriege ich direkt schon wieder Hunger. Zum Beispiel auf ein paar Dutzend Bratwürstchen, dazu ein Containerschiffchen voll grünem Spargel, schön in Parmaschinken gewickelt, bisschen in Butter geschwenkt, lecker. Oder ein schönes Wildschwein mit Mayo, leicht blutig, in Schokolade gebacken, auch lecker.
Also, das war es mit dem ersten Kapitel. Lest ruhig weiter, denn im nächsten Kapitel verrate ich euch, wie ich mir einmal nach einem Spiel gegen den FC Bayern vor lauter Frust das Ulrich-Haberland-Stadion frittiert habe. Weltklasse.
Lieben Gruß,
Euer Calli