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Fuß­ball ist ein fürch­ter­li­cher Sport. Ein Tor kann eine gesamte Saison zer­stören. Und Sekunden können über eine Kar­riere ent­scheiden. Petr Kouba war ein erfolg­rei­cher Fuß­ball­profi, als er vor 15 Jahren auf den Rasen des Wem­bley­sta­dions lief, um für sein Land die Euro­pa­meis­ter­schaft zu gewinnen. In 152 Spielen für Sparta Prag war Kouba zum Natio­nal­tor­wart Tsche­chiens auf­ge­stiegen, hatte seine Mann­schaft mit einer irren Elf­me­ter­pa­rade im Halb­fi­nale gegen Frank­reich erst in dieses End­spiel gebracht. Die EM 1996 hätte sein Tur­nier werden können, hoch dotierte Werbe- und Trans­fer­ver­träge hätten den sil­bernen EM-Pokal für Kouba ver­golden sollen. Es wäre ein mär­chen­hafter Auf­stieg gewesen. Aber als Schieds­richter Pier­luigi Pai­retto das Spiel nach 95 Minuten abpfiff, war Petr Kouba nur noch die ärmste Sau der Welt. Der Trottel von Wem­bley. Er alleine hatte das Finale gegen die Deut­schen ver­loren.

»> Das Drama Kouba – die EM 1996 in der Bil­der­strecke!

Ich bekam den Ball von Jürgen Klins­mann, ich deckte ihn ab, mein Gegen­spieler klebte an mir dran. Eigent­lich wollte ich mich nach links drehen und abspielen, da rief Marco Bode plötz­lich: ›Andersum!‹. Als ich mich drehte, war da nie­mand. Und mir blieb nichts anderes übrig, als zu schießen. Ein­fach blind drauf.“ Ein­fach blind drauf – so beschrieb Oliver Bier­hoff wenige Tage nach dem Finale die Sekunden vor dem größten Moment seiner Kar­riere. Mit einem wuch­tigen Kopf­ball hatte der ein­ge­wech­selte Bier­hoff an diesem 30. Juni 1996 nach 73 Minuten zunächst zum 1:1 aus­ge­gli­chen. Nun, in der fünften Minute der Ver­län­ge­rung, ver­suchte er es erneut. Ein schwa­cher Schuss, nicht richtig getroffen, nicht richtig plat­ziert. Ein Ball, den Petr Kouba in seinem Leben schon tau­sende Mal zuvor ohne Pro­blem gehalten hatte. Doch im wich­tigsten Fuß­ball­spiel seines Lebens ver­sagten bei Kouba die Nerven.

Lassen sie die Korken knallen, liebe Freunde!“

Der Ball rutschte ihm durch die Hände, drückte sich vorbei am dicken Schaum­stoff seiner Hand­schuhe. Wie in Zeit­lupe tru­delte das Spiel­gerät über den fein gemähten Lon­doner Rasen, tropfte gegen den Pfosten und von dort über die Linie. Das Sta­dion explo­dierte, Bier­hoff riss sich das Trikot vom Körper um ins Nir­wana zu sprinten. Auf der Pres­se­tri­büne brauchte ZDF-Mann Béla Rethy einen Augen­blick, bis er die Bedeu­tung dieses Tores, des ersten Golden Goals“ der Fuß­ball-Geschichte, begriffen hatte. Rethy rief: Es war zwar ein Tor­wart­fehler von Petr Kouba, aber davon spricht später nie­mand mehr. Lassen sie die Korken knallen, liebe Freunde!“ Und wäh­rend sich Deutsch­land am Gefühl der Euphorie besoff, brach Petr Kouba an seinem Tor­pfosten zusammen.

Die deut­schen Spieler pur­zelten über den Rasen, Trainer Berti Vogts umarmte jeden seiner Spieler, als seien sie lange ver­schol­lene Söhne. Die Tsche­chen schli­chen in die Kabine und ver­suchten den Schmerz über die Nie­der­lage in däni­schem Bier zu ertränken. Ein Jour­na­list streckte Petr Kouba sein Mikro­phon vor das Gesicht. Der Tor­wart heulte wie ein Schloss­hund: Ich konnte den Ball nicht sehen!“ In seiner Heim­stadt Prag starben an diesem Abend zwei Men­schen vor dem Fern­seher. Das gol­dene Tor“ hatte ihr Herz explo­dieren lassen.

700.000 Euro für den End­spiel-Tor­wart

Wochen später ist der Schmerz über die Nie­der­lage ver­flogen. Die Welt ver­beugt sich vor den Außen­sei­tern aus Tsche­chien, die nur ein häss­li­ches Gegentor daran hin­derte, Europas Fuß­ball­thron zu besteigen. Petr Kouba unter­schreibt einen neuen Ver­trag. Für 700.000 Euro ver­kauft ihn Sparta Prag zum spa­ni­schen Erst­li­gisten Depor­tivo La Córuna aus. Und nichts ist plötz­lich mehr so wie es mal war.

In Spa­nien macht Kouba nur vier Spiele. In der Pre­miera Divi­sion dürfen 1996 nur drei Aus­länder pro Mann­schaft ein­ge­setzt werden und für diesen Luxus scheint sich ein Ein­satz des tra­gi­schen Ver­lie­rers des EM-End­spiels nur bedingt zu lohnen. Nach nur einer Saison geht Kouba nach Deutsch­land, Otto Reh­hagel sucht nach einer Alter­na­tive für Tor­wart Andreas Reinke beim Zweit­li­ga­auf­steiger 1. FC Kai­sers­lau­tern. Für Petr Kouba wird die Saison zu einem Debakel. Wäh­rend sein Kon­kur­rent Andreas Reinke sämt­liche Spiele absol­viert und der FCK die sen­sa­tio­nellste Meis­ter­schaft der Bun­des­liga-Geschichte feiert, wird Kouba im April 1998 wegen Dopings gesperrt. Der am Knie ver­letzte Kouba hatte sich im Früh­jahr mit dem Ana­bo­likum Megagri­sivit mono“ behan­deln lassen, aller­dings ver­gessen, es seinen Ver­eins­ärzten zu erzählen. Das Sport­ge­richt des DFB sperrt Kouba für vier Wochen. Ankläger Ralf Flügge sagt: Kouba wurde mit ins­ge­samt 65 che­mi­schen Sub­stanzen behan­delt. Von einem erfah­renen Pro­fi­spieler, der so medi­ka­mentös ein­ge­deckt wird, muss man erwarten, dass er sich selbst die Doping­frage stellt.“ Ohne ein Bun­des­li­ga­spiel gemacht zu haben, als Doping­sünder gebrand­markt, wird Kouba vom Hof gejagt wie ein geprü­gelter Hund.

Koubas Kar­riere ist ein Trep­pen­witz der Fuß­ball-Geschichte

Kouba flieht in seine Hei­mat­stadt Prag, Vik­toria Zizkov gewährt im Unter­schlupf. Und end­lich darf der Tor­wart wieder Tor­wart sein – am Ende der Saison hat Kouba 23 Spiele gemacht, fünfmal so viel, wie in den zwei Jahren zuvor. Aber er ist nur aus­ge­liehen, die Trans­fer­rechte hat immer noch Depor­tivo La Coruna. Also wieder Spa­nien. Eine Saison, zwei Spiele, Danke, Tschüss. Das Selbst­ver­trauen des Final­teil­neh­mers von 1996, des ehe­mals stolzen tsche­chi­schen Natio­nal­tor­hü­ters Petr Kouba, ist längst zer­stört. Seine Kar­riere, zu einem Trep­pen­witz der Fuß­ball­ge­schichte ver­kommen, endet schließ­lich 2005 bei Sparta Prag mit einer Ein­satz­bi­lanz von drei Spielen aus drei Jahren. Eine Knie­ver­let­zung beendet seine Lauf­bahn vor­zeitig. Natür­lich.

Als wir auf dem Rasen standen und unseren Tri­umph fei­erten“, hatte Oliver Bier­hoff kurz nach dem EM-Tri­umph 1996 gesagt, musste ich an den Gegner denken. Beson­ders an Petr Kouba. Tsche­chiens Keeper tat mir unheim­lich leid. Weil er meinen Schuss nicht fest­halten konnte, war er der große Ver­lierer. Ich der große Gewinner. So eng liegen Glück und Pech zusammen. Ich wollte ihm noch ein paar trös­tende Worte sagen.“ Aber im Trubel fand er ihn nicht mehr. Da war Petr Kouba längst von der Bild­fläche ver­schwunden.