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Als sie ihn mit elf Asiaten und einem Aus­tra­lier in die Zelle sperren, ist er für einen Moment nicht mehr sicher, ob das mit der Idee, Fuß­ball­profi zu werden, so eine gute Idee war. Da sitzt er bei 45 Grad in einer 15 Qua­drat­meter Zelle, ohne Bett und Toi­lette, nur mit einem Loch im Stein­fuß­boden, und über­legt, wie es wei­ter­gehen soll: Lutz Pfan­nen­stiel, die Nummer 1 von Gey­lang United, des amtie­renden Meis­ters in der S‑League von Sin­gapur.

Auch das Leben eines Tor­warts ist ein langer von unsicht­baren Strom­schnellen durch­zo­gener Fluss, der sich auf Umwegen durch die Zeit schlän­gelt. Selbst Oliver Kahn musste 1999 in einer warmen Nacht in Bar­ce­lona ein­sehen, dass nicht jedes Ziel auf dem direkten Weg zu errei­chen ist. Doch die Unwäg­bar­keiten und Zufälle, die sich durch die Bio­grafie des Lutz Pfan­nen­stiel ziehen, suchen ihres­glei­chen.

Als er im August 2000 in Sin­gapur wegen Spiel­ma­ni­pu­la­tion vor Gericht gestellt wird, hat der damals 27-jäh­rige Tor­wart aus Zwiesel im Baye­ri­schen Wald schon 14 Sta­tionen als Profi hinter sich. Ein zwie­lich­tiger Buch­ma­cher hatte behauptet, Pfan­nen­stiel 10 000 Dollar für ein sieg­rei­ches Spiel geboten zu haben. Der kor­pu­lente Inder sagte, der Keeper sei münd­lich auf sein Angebot ein­ge­gangen. Pfan­nen­stiel erin­nert sich: Ich hatte den Mann dreimal gesehen: in einem Steh­im­biss, an einer Tank­stelle und im Ein­kaufs­zen­trum. Er sah aus wie ein Fan. Fragte, ob wir am Wochen­ende gewinnen werden. Und als Profi ant­wortet man in sol­chen Momenten auto­ma­tisch mit beja­henden Flos­keln. Von Geld war dabei nie die Rede.“

Als die Anklage in Sin­gapur erkennt, dass der Mani­pu­la­ti­ons­vor­wurf nicht haltbar ist, schwächt sie den Vor­wurf ab. Doch sie lassen Pfan­nen­stiel nicht mehr vom Haken. Als er dem Staats­an­walt auf dem Klo begegnet, gesteht ihm dieser, dass der Staat keine Wahl habe, er müsse ihn ver­ur­teilen. Schließ­lich dürfe das Regime sein Gesicht nicht ver­lieren.

Der Staats­an­walt lässt den Keeper nicht mehr vom Haken


Und so kommt es. Pfan­nen­stiel wird wegen eines angeb­li­chen ver­balen Kor­rup­tions-Ein­ge­ständ­nisses“ zu einer Gefäng­nis­strafe von fünf Monaten ver­ur­teilt. Die Zei­tungen in Sin­gapur dru­cken die Geschichte wochen­lang auf Seite 1: Das Tor­wart­idol von Meister Gey­lang United, ein Star auf und abseits des Platzes, Experte beim TV-Sport­sender ESPN Asien“ und Dressman für die Mode­linie Armani Exch­ange“, muss hinter Git­tern!

An den Ver­hand­lungs­tagen warten täg­lich 100 Jour­na­listen vor dem Haus des deut­schen Kee­pers, der bei uns weit­ge­hend unbe­kannt ist. Die Ver­ur­tei­lung scheint der vor­zei­tige End­punkt in der unge­wöhn­li­chen Kar­riere des eins­tigen Tor­wart­ta­lents vom 1. FC Bad Kötzting zu sein.

Als Pfan­nen­stiel 1993 dorthin in die Ober­liga wech­selte, damals die dritt­höchste deut­sche Spiel­klasse, lag eine hoff­nungs­volle Kar­riere vor ihm. Im Kader der U 17-Natio­nal­mann­schaft hatte er bereits mit Talenten wie Markus Babbel, Markus Münch oder Michael Wie­singer zusammen gespielt. Der FC Bayern, der VfL Bochum und der 1. FC Nürn­berg machten Pfan­nen­stiel Ange­bote, Keeper in ihren Ama­teur­teams zu werden. Doch der Jung­spund stand wie ein Renn­pferd mit scha­bender Hufe in der Box. Er hatte keine Lust, sich mühsam über die Ober­liga bei den Profis anzu­dienen und mit­tel­fristig ein Reser­vis­ten­da­sein zu fristen. Er wollte, was jeder ange­hende Fuß­ball­profi will – in die großen Sta­dien und spielen, spielen, spielen.

Bei einer Partie in Teheran glaubt er sich im Vorhof zur Hölle

In Bochum schlug ihm ein Berater also vor, zu Penang FA, den soge­nannten Pan­thers“, nach Malaysia zu wech­seln. Als pro­fi­lierter deut­scher Keeper hätte er dort quasi Auf­lauf­ga­rantie. Die 5000 Dollar, ein Dienst­wagen und ein Haus am Meer in der damals pro­spe­rie­renden Liga des Landes klangen für den 20-Jäh­rigen äußerst ver­lo­ckend. Und als Hans Wurzer, ein aben­teu­er­lus­tiger Kumpel aus Ober­bayern, ange­sichts der Offerte sagte: Lutz, ich begleite dich“, fackelte Pfan­nen­stiel nicht lange und unter­schrieb.

Damit begann ein unstetes Leben als Fuß­ball-Glo­be­trotter. Ein stän­diges Chan­gieren zwi­schen Anspruch und Wirk­lich­keit, zwi­schen Her­aus­for­de­rung und Aben­teuer. Er sagt: Ich habe wahr­schein­lich eine Mil­lion Berater in meiner Lauf­bahn getroffen.“ Nach den sieben Monaten Liga-betrieb auf der Urlaubs­insel Penang, flat­terte dem gemüt­li­chen Bayern nach einem Test­spiel gegen den FC Wim­bledon ein Angebot aus der Pre­mier League auf den Tisch. Doch in London ließen sie ihn in der Reser­verunde ver­sauern. Es folgte ein Pro­be­trai­ning in Bra­si­lien, zwei Monate als Leih­gabe bei den Hamrun Spar­tans auf Malta. Von dort aus ging er als Edel­re­ser­vist ohne festen Ver­trag zu Not­tingham Forest, deren eigent­liche Nummer 2, Tommy Wright, sich bei Spielen nur noch mit Spritzen und Pillen auf den Beinen halten konnte. Einen Pre­mier-League-Ein­satz bekam Pfan­nen­stiel trotzdem nicht.

Die Odyssee ging weiter. Ein kurzes Inter­mezzo mit vier Spielen als Leih­gabe in der bel­gi­schen Liga bei St. Truiden, eine erfolg­reiche Spiel­zeit bei den Sem­ba­wang Ran­gers in Sin­gapur, ein Abste­cher
– wie­derum auf Leih­basis – zu den Orlando Pirates nach Süd­afrika. In Finn­land unter­schrieb er bei Haka Val­kea­koski end­lich wieder einen ordent­li­chen Ver­trag – aller­dings nur für ein Jahr. 1998 lan­dete er beim ambi­tio­nierten Zweit­li­gisten SV Wacker Burg­hausen. Im Schlepptau seine Freundin aus Fernost, die in der ober­baye­ri­schen Pro­vinz jedoch nie hei­misch wurde. Der Grund: Der Asiatin schlug hier auf dem Land unver­hoh­lener Ras­sismus ent­gegen. Ent­täuscht und gekränkt kehrte der Bayer seinen Lands­leuten nach nur 14 Liga­spielen wieder den Rücken und zog erneut hinaus in die weite Welt.

Seine Rück­kehr nach Sin­gapur im Juni 1999 begann furios. Mit Gey­lang United domi­nierte er die Liga und spielte asia­ti­sche Cham­pions League. Bei einer Partie in Teheran glaubte Pfan­nen­stil für einen Moment, im Vorhof der Hölle zu stehen: 100 000 Männer im Publikum kreischten und häm­merten auf per­si­sche Instru­mente ein. Ein gespens­ti­sches Sze­nario.“ Ein grau­siges Fanal für das, was ihn nun erwar­tete.

Nach 46 Spielen im Dress des S‑Le­ague-Meis­ters häm­mert es wieder – diesmal ist es die Polizei an der Tür seiner Woh­nung in Sin­gapur. Das Elend nimmt seinen Lauf. Der Pro­zess ver­schlingt fast das kom­plette Ver­mögen des Kee­pers. Auch einige über­flüs­sige Posten werden fällig. Als ihn der Richter wäh­rend der Ver­hand­lung fragt, ob er bereit sei, 100 000 Dollar für seine Kau­tion zu hin­ter­legen, flachst Pfan­nen­stiel gal­gen­hu­morig: Leider habe ich das Geld gerade nicht im Porte­mon­naie, aber ich schau mal schnell im Aschen­be­cher meines Autos nach.“ Folge: 500 Dollar Strafe wegen Belei­di­gung des Gerichts.

Im Gefängnis beginnt für den Profi eine ganz neue Form von Posi­ti­ons­kampf. Zu Essen bekommt hier nur, wer sich Respekt ver­schaffen kann. Um nicht zu ver­hun­gern oder ver­ge­wal­tigt zu werden, muss er klar machen, dass mit ihm nicht zu spaßen ist. Auf­grund seiner häu­figen Ver­eins­wechsel kennt er die Situa­tion, sich in kurzer Zeit eine Posi­tion am oberen Ende der Nah­rungs­kette zu ver­schaffen. Doch wäh­rend es auf dem Trai­nings­platz reicht, mit ein paar mar­kigen Worten und selbst­si­cheren Anwei­sungen die Aner­ken­nung der Mit­spieler zu erlangen, wird er nun zum Äußersten gezwungen. Seine mit­tel­eu­ro­päi­sche Phy­sio­gnomie – die 1,86 Meter und sein breites Tor­hü­ter­kreuz – rettet ihm das Leben. In den ersten zwei Wochen im Knast habe ich mir jeden Tag eine blu­tige Nase geholt – dann war klar, dass man mich beim Essen nicht mehr ver­gisst.“ Auch hinter Git­tern wird er also nach und nach zum Füh­rungs­spieler. Nach 101 Tagen kommt er frei. Bei asia­ti­schen Fuß­ball­ver­bänden steht er fortan auf der schwarzen Liste. Die Haft­be­din­gungen haben ihn um 32 Pfund auf 70 Kilo­gramm abma­gern lassen. Von Sin­gapur hat er die Nase gestri­chen voll.

Kurz über­legt er, zurück nach Zwiesel zu gehen und noch einmal von vorn anzu­fangen. Doch ihm bleibt keine Zeit, sich groß­artig Sinn­fragen zu stellen. Der neu­see­län­di­sche Erst­li­gist Dun­edin Tech­nical will ihn haben. Ein fried­li­ches Land mit west­li­cher Recht­spre­chung – genau das Rich­tige in seiner Situa­tion. Doch auch hier ist Pfan­nen­stiel nicht vor Unwäg­bar­keiten gefeit: Ein Dieb nimmt aus seiner Woh­nung 2500 Euro, eine Play­sta­tion, Son­nen­brillen und sein Tor­wart­trikot mit. Einige Tage beob­achtet ein Bekannter von ihm einen Mann, der ein Jersey mit der Auf­schrift Pfan­nen­stiel“ trägt. Der knast­erfah­rene Keeper greift sich den Ganoven – und holt sich sein Eigentum zurück. Fünf Jahre bleibt er in Neu­see­land.

Nach Ende der jeweils nur sechs­mo­na­tigen Spiel­zeiten bei den Kiwis hilft er in Europa beim eng­li­schen Dritt­li­gisten Brad­ford Park Avenue aus.
Dort stirbt Lutz Pfan­nen­stiel am reg­ne­ri­schen Nach­mittag des 2. Weih­nachts­fei­er­tags im Jahre 2002 bei einem Fuß­ball­spiel. Der Mann, der ein Schat­ten­da­sein als ein­ziger, dem Wort­sinn ent­spre­chenden Welt­star des deut­schen Fuß­balls geführt hat, bleibt nach einem Zusam­men­prall mit einem Gegen­spieler auf dem mat­schigen Rasen eines mit­tel­eng­li­schen Fuß­ball­platzes liegen. Ein Schlag auf den Solar Plexus setzt alle Kör­per­or­gane außer Kraft. Der Mas­seur des Teams ver­sucht ver­geb­lich ihn per Mund-zu-Mund-Beatmung zu reani­mieren. Pfan­nen­stiel ist kli­nisch tot und wird mit einem Hub­schrauber aus­ge­flogen. Aus seinem Mund läuft gelb­lich-weiße Flüs­sig­keit. Sein Trainer weint. Als er fest­ge­bunden auf einer Prit­sche in einem Kran­ken­haus wieder von den Toten erwacht, schnauzt er als erstes eine Schwester zusammen, warum sie, ver­dammt noch mal, zuge­lassen habe, dass man ihn aus dem Spiel nimmt. Er steht auf und geht nach Hause. Nach Hause? Besser gesagt, er zieht weiter.
In Eng­land wird er ein Jahr nach seinem Tod Vater einer Tochter. Doch die Bezie­hung zu der Frau geht kurz darauf in die Brüche. Wie so viele Part­ner­schaften vorher. Frauen platzt bei mir immer irgend­wann der Kragen. Die wollen ein Nest, was Sta­biles. Aber ich bin nun mal kein Sta­bilo“, sagt Pfan­nen­stiel und schmun­zelt. 2006 hat er zum zweiten Mal gehei­ratet – eine Usbekin, die wie er kein Pro­blem mit dem Leben aus dem Koffer hat. Com­puter, Handy, Fern­seher – mehr braucht der Tor­wart nicht, um in einer Stadt hei­misch zu werden.

2003 bekommt er jedoch beim Bærum SK in Nor­wegen das erste Mal hei­mat­liche Gefühle. Im ersten Leben muss ich Nor­weger gewesen sein“, erklärt er das beson­dere Ver­hältnis, das er von Anfang an zu den Skan­di­na­viern emp­findet. Pfan­nen­stiel träumt von einem län­ger­fris­tigen Enga­ge­ment, doch wieder spielt ihm das Schicksal einen Streich. Bærum gerät in finan­zi­elle Schwie­rig­keiten und stellt es dem Keeper frei, ob er seinen Ver­trag erfüllt. Pfan­nen­stiel, einer der Top-Ver­diener im Klub, kommt dem Prä­si­dium ent­gegen und wech­selt nach Cal­gary in Kanada, die Som­mer­saison über kickt er wieder in Neu­see­land.

2006 holt ihn der deut­sche Coach Uli Schulze, 1974 Tor­wächter des Euro­pa­cup­sie­gers 1. FC Mag­de­burg, nach Alba­nien zu Vllaznia Shkodër. Pfan­nen­stiel ist als ein­ziger Deut­scher im Team der unum­schränkte Ver­trau­ens­mann des Trai­ners. Die alba­ni­sche Men­ta­lität macht dem Keeper aller­dings mächtig zu schaffen. Nach Siegen lie­fern die Fans mit­unter Geschenke an seiner Haustür ab. Auf dem Weg zum Trai­ning begleiten den Keeper manchmal 300 fana­ti­sche Anhänger. Ver­liert Vllaznia Shkodër jedoch, schlägt die Liebe der Gefolg­schaft in offenen Hass um. Nach einer Nie­der­lage hagelt es Steine auf das Auto des Tor­hü­ters. Bei einem Aus­wärts­spiel wirft ihm ein zehn­jäh­riger Fan des Geg­ners eine Fla­sche an den Kopf. Was soll’s, Pfan­nen­stiel hat schon Schlim­meres erlebt. Doch als Trainer Schulze geschasst wird, stellt die Mann­schaft und das Prä­si­dium geschlossen die Kom­mu­ni­ka­tion zu dem ver­meint­li­chen Gefolgs­mann des Coachs ein. Und mein Alba­nisch war leider zu schlecht, um alles mit­zu­be­kommen“, sagt der Mann aus Zwiesel. Als das Gehalt auch nicht mehr regel­mäßig ein­trifft, sieht Pfan­nen­stiel zu, dass er Land gewinnt.

Für einen echten Spit­zen­tor­wart fehlt mir doch das gewisse Etwas“

Die Erfolge in seiner Kar­riere lesen sich zumin­dest auf dem Papier sehr ein­drucks­voll: Meister in Finn­land und Malaysia. Zweimal Tor­wart des Jahres in Neu­see­land. Bester Zweit­liga-Tor­wart in Nor­wegen. Dazu die Aus­zeich­nung für die meisten gehal­tenen Bälle in der nord­ame­ri­ka­ni­schen A‑League. Doch mit der Reife ist Pfan­nen­stiel auch zu der Erkenntnis gelangt, dass der Weg, den er für sich gewählt hat, der bes­sere war, als auf Biegen und Bre­chen in der Bun­des­liga zu reüs­sieren: Deutsch­land hat die besten Keeper der Welt. Und inzwi­schen weiß ich, dass mir für einen echten Spit­zen­tor­wart doch das gewisse Etwas fehlt.“ Der stu­dierte Sport- und Tou­ris­tik­ma­nager plant für die Zeit nach der Kar­riere im Auf­trag der deut­schen Spie­ler­ver­mitt­lung Soc­cess“ welt­weit Fuß­baller zu beraten. Typen wie ihn, die neben der Liebe zum Fuß­ball auch die Aben­teu­er­lust antreibt. Diese innere Unruhe, die er nicht los wird und die dafür sorgt, dass nicht das Geld der Grad­messer für seinen Erfolg ist, son­dern die Frei­heit, wei­ter­ziehen zu können.

Bis zum Tag seines Abschieds hat der Keeper noch einen Traum: Er will der erste Fuß­ball­profi sein, der auf allen Kon­ti­nenten der Erde ange­stellt war. Es fehlt nur noch Süd­ame­rika.

Anfang 2007 ver­liert er diese Pläne kurz­zeitig aus den Augen. Über Nacht bekommt er die Offerte eines Mil­lio­närs in Arme­nien, dort als Trainer ein kon­kur­renz­fä­higes Team aus dem Boden zu stampfen. In drei Monaten ver­pflichtet Pfan­nen­stiel 18 Spieler aus der ganzen Welt. Wir wären aus dem Stand Meister geworden. So gut war die Truppe“, bilan­ziert er. Doch als er auf die in Aus­sicht gestellten drei Mil­lionen Euro für den Kader zugreifen will, streikt die Kre­dit­karte. Der Mäzen hatte zwi­schen­zeit­lich den Spaß an seinem Fuß­ball­hobby ver­loren – und das Geld abge­zogen. Frei nach Andy Brehme: Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß.“

Pfan­nen­stiel kon­zen­triert sich also wieder aufs Kern­ge­schäft und wech­selt nach einem kurzen Inter­mezzo bei Bærum zu den Van­couver White­caps in die USL First Divi­sion. Selbst in Nord­ame­rika holt ihn immer wieder die Ver­gan­gen­heit ein. Als er mit Van­couver im Lokal­derby in Oregon bei den Port­land Tim­bers spielt, hört er aus dem Block den abge­wan­delten Songklas­siker: He’s got the whole jail up his ass“. Eine Anspie­lung auf seine Zeit im Gefängnis in Fernost. Dass 15 000 geg­ne­ri­sche Fans ihn als sin­ga­pu­ria­ni­sche Gefängnis-Hure“ ver­un­glimpfen, kann dem gemüt­li­chen Bayern aber nur ein mildes Lächeln ent­lo­cken. Das sind Emo­tionen, die zum Fuß­ball dazu gehören,“ sagt er, der von den Toten erwacht und aus dem Knast ent­kommen ist.

In den USA inter­es­sieren sich Film­stu­dios für die Geschichte seines Lebens. Ein Dreh­buch ist in Pla­nung. Aber halt, für ein echtes Happy End muss Lutz Pfan­nen­stiel doch erst irgendwo ange­kommen sein. Eine schmerz­hafte Rücken­ver­let­zung setzt ihn in den ver­gan­genen Wochen vor­über­ge­hend außer Gefecht. Er sagt: Eigent­lich wollte ich noch bis 40 im Tor stehen, aber das war ein Warn­schuss, dass es Zeit wird, auch mal auf meinen Körper zu hören.“ Im Mai wird er 35.

Vor ein paar Tagen hat er nun bei einem Klub in Bra­si­lien unter­schrieben. Das Lebens­werk ist voll­endet. Viel­leicht sitzt Lutz Pfan­nen­stiel der­zeit am Strand des Atlan­tiks und schaut aufs Meer. Fuß­baller zu werden, hält er noch immer für die beste Idee seines Lebens. Er sagt: Das Leben ist eine Anein­an­der­rei­hung von Zufällen.“

He’s got the whole world in his hand.