Kaum etwas ist bekannt von Mohamed bin Hammam, dem Mann, der Ende Mai Sepp Blatter vom FIFA-Thron stoßen will. Dem Mann, der das neue Oberhaupt der großen FIFA-Fußball-Familie werden will. Wirft man einen Blick auf bin Hammams Profilseite beim Weltverband, so erfährt man lediglich, dass der 61-jährige Geschäftsmann Poesie mag und gerne liest. Fußball mag er übrigens auch.
Mohamed bin Hammam ist ein Mann, der bisher nur wenigen Fußballfans bekannt war. Ein Mann, der zwar seit 1996 im exklusiven FIFA-Exekutivkomitee, der so genannten Weltregierung des Fußballs, sitzt, aber trotzdem stets im Hintergrund blieb – bis jetzt. Ausgerechnet der ruhige, umgänglichen bin Hammam ist die wohl größte Gefahr für Sepp Blatters Präsidentschaft, seit der Schweizer 1998 an die Macht kam.
Zwei Mal waren Mohamed bin Hammam und sein Jugendfreund, der Emir von Katar, schon die Königsmacher für Blatter. Die Wahlkämpfe um die FIFA-Präsidentschaft 1998 und 2002 konnte der Schweizer nur deshalb so erfolgreich führen, weil Katars sprudelnde Ölquellen ihm einen monatelangen Wahlkampf mitsamt Privatjet und bin Hammam als eifrigem Helfer ermöglichten.
Seit 2007 ist das Tischtuch der alten Weggefährten zerschnitten
2007 brauchte Sepp Blatter dann keine arabischen Wahlhelfer mehr, um sich eine dritte Amtszeit zu sichern. Der Mann aus dem Kanton Walis, nun unangefochtener Top-Funktionär der FIFA, distanzierte sich von bin Hammam, zumal der Katari als Präsident des asiatischen Fußballverbands, AFC, ein potenzieller Konkurrent für seine Präsidentschaft war. Seitdem ist das Tischtuch zwischen den beiden einstigen Weggefährten zerschnitten. Blatter versuchte 2009 bin Hammam als Präsident des asiatischen Fußballverbands zu stürzen – und scheiterte. Bin Hammam revanchierte sich und versuchte kurz darauf durchsetzen, dass die Amtszeit eines FIFA-Präsidenten auf acht Jahre beschränkt wird und über 70-Jährige nicht gewählt werden dürfen. Ein Vorstoß, der offensichtlich gegen den 75-jährigen Blatter gedacht war, jedoch von den FIFA-Gremien abgelehnt wurde. Im Herbst vergangenen Jahres rauften sich bin Hammam und Blatter dann noch einmal zusammen. Der Katari wollte die WM 2022 in seine Heimat holen und brauchte dafür die Hilfe von Sepp Blatter. Blatter wiederum hatte sich vielleicht erhofft, durch die Förderung von Katars WM-Bewerbung, die Unterstützung bin Hammams für eine vierte Amtszeit als FIFA-Präsident zu gewinnen.
Falls es diesen Kuhhandel je gab, bin Hammam machte offensichtlich nicht mit. Schon im Januar ging er auf Distanz zu Blatter, indem er dessen Idee, die WM 2022 im Winter auszutragen, rigoros ablehnte: „Die WM wird seit 1930 im Sommer ausgetragen und dafür gibt es gute Gründe.“ Am 18. März machte bin Hammam dann publik, was Blatter wohl schon längst befürchtet hatte: Die Kandidatur als FIFA-Präsident.
Bin Hammam: „Blatter ist nicht mehr kreativ!“
Seitdem betreibt bin Hammam einen Wahlkampf, der Sepp Blatter als altes Eisen, als einen Mann der Vergangenheit darstellen soll. „Blatter ist nicht mehr kreativ. Er hat keine Vision“, warf der 61-Jährige seinem 13 Jahre älteren Herausforderer vor, der seit Jahren viele Veränderungen blockiert. Sichtbarstes Beispiel von Blatters Fortschrittsskepsis ist seine aktive Ablehnung von Torkameras und ähnlichen technischen Neuerungen. Stattdessen verbietet der Schweizer mutmaßlich gesundheitsgefährdende Schals. Bin Hammam dagegen gibt vor, echte Neuerungen zu wollen. Er steht für Torkameras und gegen Korruption. Für das schlechtes Image des Weltverbands macht er vor allem Blatter verantwortlich. „Die FIFA muss nichts verstecken“, entgegnet der Katari stets, wenn er auf angebliche Korruptionsaffären in der weltumspannenden Fußball-Familie angesprochen wird. Um das beweisen, soll der WM-Ausrichter, wenn es nach bin Hammam geht, in Zukunft öffentlich gewählt werden.
Eine Maßnahme, die sogar Sylvia Schenk begrüßt. Sie ist Vorstandsmitglied bei Transparency International, einem NGO, der sich im Kampf gegen Korruption engagiert: „Bei einer öffentlichen Wahl reicht es nicht mehr, einen Zettel aus einem Umschlag zu zaubern und zu sagen: Das Land ist es. Die Wahl muss begründet werden. Jeder muss Verantwortung für die eigene Entscheidung übernehmen.“
Blatter muss diesmal ohne Emir gewinnen
Andere Maßnahmen, die bin Hammam angekündigt hat, sind weniger geeignet, Korruption zu bekämpfen. Die Ausweitung des Exekutivkomitees von 24 auf 41 Mitglieder etwa. „Die Vergrößerung eines Gremiums verändert hinsichtlich der Korruptionsgefahr gar nichts. Es könnte die Lage eher noch unübersichtlicher gestalten. Und unübersichtliche Strukturen fördern Korruption eher, als dass sie diese verhindern“, kritisiert Schenk.
Es liegt also an bin Hammam, seine mitunter wenig konkreten Vorschläge zur Korruptionsverhütung mit Inhalten zu füllen, um die Öffentlichkeit von sich zu überzeugen. Bei der Jagd nach Stimmen für die Wahl zum FIFA-Präsidenten im Mai, sind aber wohl auch ganz andere Geschütze als ehrliche Korruptionsbekämpfung gefragt. Ein harter, womöglich schmutziger Wahlkampf steht bevor. Der härteste, seit sich Sepp Blatter 1998 in einer Kampfabstimmung gegen UEFA-Präsident Lennart Johannson durchsetzte. Bin Hammam ist darauf vorbereitet: „Wer sich mir in den Weg stellt, dem schlage ich Kopf, Hände und Beine ab“, sagte er einmal im Wahlkampf um das Amt des asiatischen Verbandschefs.
Kein Privatjet aus Katar
Sepp Blatter hat seine Gliedmaßen zwar noch bei sich, seine Ruhe allerdings ist dahin. Seit bin Hammam seine Kandidatur bekannt gab, wirkt der sonst so selbstsichere Funktionär ein wenig geschockt. Zwar brachte Blatter es in der Vergangenheit noch immer fertig, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Nun tritt er aber gegen den Mann an, der ihm das mit seinen Kontakten und seinem Geld erst ermöglicht hat. Blatters einstiger Wahlkampffinanzier, der Emir von Katar, erklärte vor kurzem bereits, dass er selbstverständlich seinen Landsmann Mohamed bin Hammam unterstützen werde. Sepp Blatter muss also diesmal ohne Privatjet aus Katar auskommen.