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Ein warmer Som­mertag. Das Ber­liner Olym­pia­sta­dion ist aus­ver­kauft. Der Sieger im WM-Eröff­nungs­spiel zwi­schen Deutsch­land und Kanada ist schon vor dem Anpfiff abzu­sehen – der Gast­geber ist schließ­lich Titel­ver­tei­diger und Tur­nier­fa­vorit. Die Fern­seh­re­porter werden den 26. Juni 2011 als Beginn des nächsten Som­mer­mär­chens aus­rufen. So wird es kommen.



Ein halbes Jahr vor dem Anstoß sind bereits 50 000 Karten für den Start der Frau­en­fuß­ball-WM ver­kauft, so viele Men­schen haben in Europa noch nie ein Spiel von Fuß­bal­le­rinnen gesehen. Auch an den anderen Spiel­orten Mön­chen­glad­bach, Wolfs­burg, Augs­burg, Bochum, Bie­le­feld, Dresden und Sins­heim läuft der Vor­ver­kauf gut, das Finale in Frank­furt am Main dürfte eben­falls vor vollen Rängen statt­finden. Bis dahin soll in 31 Spielen eine Begeis­te­rung ent­stehen wie bei der WM 2006. Aber wel­cher Art wird diese Begeis­te­rung sein?

Frau­en­fuß­ball ist kein Event

Ein warmer Früh­lingstag. Die Sonne glänzt am blauen Himmel, Sta­di­on­wetter. Tur­bine Potsdam hat es bis ins Halb­fi­nale des DFB-Pokals geschafft. Zuge­geben, der Gegner könnte attrak­tiver sein, aber gegen Zweit­li­gist Wat­ten­scheid 09 ist mit vielen Toren zu rechnen. Trotzdem ver­lieren sich nur meh­rere hun­dert Zuschauer im Babels­berger Karl-Lieb­knecht-Sta­dion. Nicht wenige gehören zum Fami­lien- oder Freun­des­kreis der Spie­le­rinnen. Bei Bun­des­li­ga­spielen gegen den Her­forder SV, Bad Neu­enahr oder Bayer Lever­kusen sieht es oft nicht besser aus. Nicht jeder Verein in unserer Bun­des­liga hat ein Gesicht“, sagt Bernd Schröder, der lang­jäh­rige Trainer der Pots­da­me­rinnen. Schröder ist ein kan­tiger Typ, der nicht an Mär­chen glaubt. Auch nicht an Som­mer­mär­chen.

Den Frau­en­fuß­ball in Deutsch­land auf Dauer popu­lärer zu machen wird schwerer, als die Orga­ni­sa­toren glauben machen wollen. Im Ver­gleich zu ihren männ­li­chen Kol­legen können Fuß­bal­le­rinnen längst nicht von ihrem Sport leben, nicht mal Län­der­spiele finden immer den erhofften Zuspruch – beim Test des Frauen-Natio­nal­teams gegen Aus­tra­lien ver­liefen sich Ende Oktober nur 7000 Men­schen in der Wolfs­burger Arena. Män­ner­fuß­ball ist ein Event, Frau­en­fuß­ball nicht“, sagt Schröder. Wäh­rend des Tur­niers wird das anders sein, dann soll das Tur­nier das Event sein. Im ver­gan­genen Jahr bei der WM der Spie­le­rinnen unter 20 Jahren brachten vor allem Fami­lien einen unge­ahnten Zuschau­er­boom. Es wird sicher eine fami­liäre WM werden“, pro­phe­zeit Theo Zwan­ziger, der Prä­si­dent des Deut­schen Fuß­ball-Bundes (DFB). Aber er weiß: Den Frau­en­fuß­ball kann man nicht mit den Män­nern ver­glei­chen.“

Manchmal macht aller­dings gerade der oberste Hüter des Frau­en­fuß­balls den Ein­druck, als wolle er genau das. Mit fast schon ner­vender Hin­gabe betont er immer wieder die gesell­schaft­liche Bedeu­tung des Frau­en­fuß­balls. Dahinter steckt Kalkül: Der größte Sport­ver­band der Welt kann nur noch wachsen, wenn er mehr Frauen gewinnt. Die För­de­rung kostet den DFB viel Mühe und Mil­lionen – für die WM musste Schatz­meister Horst R. Schmidt sogar eine Finanz­re­serve angreifen. Doch es lohnt sich: Von 6,7 Mil­lionen DFB-Mit­glie­dern machen Frauen schon eine Mil­lion aus.

Som­mer­mär­chen rel­oaded im Frau­en­fuß­ball?

Das auch offi­ziell erwünschte Som­mer­mär­chen rel­oaded“ wird akri­bisch vor­be­reitet – von einem Team erfah­rener Tur­nier­ma­nager. Das Design ähnelt dem der WM 2006, der Slogan 20Elf von seiner schönsten Seite“ wirkt aller­dings etwas alt­vä­ter­lich. So kam auch die Aus­lo­sung des Tur­niers rüber, bei der nicht eine Fuß­bal­lerin die Lose ziehen durfte, son­dern ein lang­bei­niges Model. Oliver Kahn hatte abge­sagt, weil ihm die Anreise zu beschwer­lich geworden war.

Bernd Schröder ist eher skep­tisch, was die Nach­hal­tig­keit sol­cher PR-Aktionen angeht. Der Trainer von Tur­bine Potsdam sagt: Die WM bringt viel­leicht einen kurzen Schub, weil die Leute danach unsere Spie­le­rinnen live im Sta­dion sehen wollen, aber auf Dauer wird das nicht rei­chen.“ Schrö­ders Team hat in den ver­gan­genen Jahren alles gewonnen, ist amtie­render Meister und Cham­pions-League-Sieger. Ein Zuschau­er­ma­gnet ist Tur­bine trotzdem nicht. Schröder rät den Funk­tio­nären zu behut­sa­meren Schritten. Frau­en­fuß­ball muss nicht in der Spitze ent­wi­ckelt werden, son­dern in der Breite.“ In der Spitze ist die Ent­wick­lung sowieso schon voll­zogen. Die Chancen stehen gut, dass das deut­sche Team in diesem Sommer so weit kommt wie Jürgen Klins­manns Män­ner­mann­schaft 2006. Die Vor­run­den­gruppe A mit den Kana­die­rinnen, Nigeria und Frank­reich ist mehr als machbar für die Mann­schaft von Bun­des­trai­nerin Silvia Neid. Zuletzt hatten die deut­schen Frauen Kanada und Nigeria locker mit 5:0 und 8:0 besiegt.

WM ist nicht der Nor­mal­zu­stand des Frau­en­fuß­balls

Span­nender dürfte es in der Gruppe C zugehen, wo der drei­ma­lige Olym­pia­sieger und zwei­ma­lige Welt­meister USA auf Nord­korea, Kolum­bien und Schweden trifft. Ein warmer Sommer. Deutsch­land wird den Fuß­ball­frauen zuju­beln – viel­leicht bis zum Abpfiff des Finales am 17. Juli. Was wäh­rend der WM pas­sieren wird, ist nicht der Nor­mal­zu­stand“, mahnt Bernd Schröder. Die Augen vieler Fuß­ball­fans könnten nach der WM wei­ter­wan­dern. Am Final­wo­chen­ende beginnt bei den Män­nern schon wieder die Zweite Liga.