Ein langer Weg
»Ci – ki – ta… Ci – ki – ta…«
So hallte es im Januar des Jahres 1954 durch das Stadion von Montevideo.
»Cikita…«
Die Ovationen der 80.000 Uruguayer galten mir, dem jugoslawischen Fußball-Nationalspieler Zlatko Cajkovski von Partizan Belgrad.
In meiner Heimat nannten sie mich »Cik«. Hier in Südamerika war ich »Cikita« – der »kleine Cik«. Später in Deutschland, wurden aus dem »Cik« ein »Tschik«. Und dabei wollen wir es bei meiner Reise in die Fußball-Vergangenheit, beim Zurückholen der Höhepunkte meiner aktiven Laufbahn und meiner Trainer-Tätigkeit belassen.
»Tschi – ki – ta… Tschi – ki – ta…«
So hallte es durch das Stadion von Montevideo.
Was war passiert?
Im Rahmen eines großen internationalen Turniers, das sich über den Dezember 1953 und den Januar 1954 erstreckte, standen sich Penarol Montevideo, der Champion von Uruguay, und Partizan Belgrad gegenüber.
Die Partizan-Elf, deren Kapitän ich war, führte 1:0…
Da rannte, etwa zehn Minuten nach der Pause, der Mittelstürmer von Penarol, der uruguayische Nationalspieler Migues, allein unserem Tor entgegen. Unser Mittelläufer, Minda Iovanovic, fuhr seinem Gegenspieler von hinten in die Parade.
Foul!
Der Tatort lag klar außerhalb des Strafraums. Migues aber überschlug sich zweimal, dreimal…
Elegant, wie man es in Südamerika in solchen Szenen beherrscht. Vier Meter vor unserem Tor blieb er liegen, platt wie eine Flunder.
Der englische Schiedsrichter, als Profi in Südamerika tätig und demnach im Sold der Gastgeber stehend, fiel auf den Trick auch prompt herein. Eiskalt zeigte er auf den weißen Punkt in unserem Strafraum.
Elfmeter!
Das war zuviel für mich. Mein Temperament ließ es nicht zu, solches Unrecht unwidersprochen zu erdulden. Ich nahm den Ball unter den Arm und begab mich mit meiner Mannschaft auf die Seite. Das ganze glich einer Streikdrohung. Für Südamerika war das nichts Neues.
»Vom Platz!« bedeutete mir der Schiedsrichter.
»Niemals!« beharrte ich auf meinem Standpunkt.
Um das Streitobjekt, den Ball, begannen wahre Ringkämpfe.
Ich verteidigte den Ball, als ob mein weiteres Fußball-Glück vom Ausgang dieses Kampfes abhinge. 80.000 Zuschauer protestierten ebenfalls gegen die Elfmeter-Entscheidung. Sie hatten Partizan in ihre Herzen geschlossen – und sie liebten den Fußball, den wir zu spielen pflegten.
»Hinaus!« Der Schiedsrichter ließ sich nicht erweichen. Also machte ich mich schweren Herzens doch auf den Weg in Richtung Kabine. Ich brauchte ihn nicht bis zum bitteren Ende gehen.
Der Kapitän von Penarol lief auf den Unparteiischen zu, und auch die anderen uruguayischen Spieler bestürmten ihn, den gegen mich ausgesprochenen Feldverweis rückgängig zu machen. Die 80.000 Zuschauer stellten sich außerdem wie ein Mann hinter mich:
»Tschi – ki – ta, Tschi – ki – ta«, gaben sie in Sprechchören und mit rhythmischen Händeklatschen ihren Wunsch kund, mich weiter spielen zu sehen.
Das war auch dem Referee zu viel. Er beugte sich der Stimme des Volkes: ich durfte in der Arena bleiben.
Aus: Tschik Cajkovski: Ich mache Mannschaften. Copress-Verlag München. München 1966. 222 Seiten