Beim TSV 1860 München vereinen sich seit Jahren alle negativen Strömungen, die auf einen Traditionsklub hereinbrechen können. Auf der einen Seite steht die Erinnerung an alte Größe, aus dem ein Anspruchsdenken erwächst, man müsse doch sportlich endlich wieder dorthin, wo man hingehöre. Nämlich nach oben. Ganz nach oben.
Auf der anderen Seite schleppt der Verein einen finanziellen Ballast mit sich herum, der ihm den Weg nach oben verbaut. Fußballvereine sind auch Wirtschaftsunternehmen, und da steht am Ende in der Regel der oben, der das meiste Geld hat. Der TSV 1860 München hat sich mit dem Projekt Allianz-Arena völlig überhoben und verfügt derzeit über vergleichsweise sehr, sehr wenig Geld.
Riesiges Echo
Damit teilt der Zweitliga-Klub das Schicksal der Fortuna aus Düsseldorf oder vieler ostdeutscher Klubs. Hier wie dort kommt ein Weiteres hinzu: Diese Traditionsvereine erhalten in der Öffentlichkeit immer noch ein in Relation zu ihrer sportlichen Leistung riesiges Echo, viele Menschen interessieren sich für ihren Werdegang. Und das mit viel Leidenschaft. Das macht sie anziehend für Menschen, die sich gerne in der Öffentlichkeit sehen. Wer bei 1860 München ein wichtiges Amt bekleidet, gehört in der Stadt zu bekanntesten Leuten, man findet Eingang in illustre Kreise.
So sind diese Klubs von Turbulenzen in den Geschäftsstellen mindestens genauso gepeinigt, wie von denen auf dem Spielfeld. Der TSV 1860 München ist ein krisenfester Schlagzeilenbringer für die örtliche Zeitungen, Radio- und Fernsehstationen. Im Zweifel hören die Leute dabei lieber die lauten als die leisen Töne.
Das wurde nun auch Marco Kurz zum Verhängnis. Die Entlassung des Trainers ist sportlich durchaus nachvollziehbar, seine Bilanz in zwei Jahren war zu wechselhaft, starke Phasen wechselten mit wochenlangem Misserfolg, spielerischer Fortschritt mit Einstellungsproblemen seiner Spieler. Doch zum Sportlichen gesellt sich bei Sechzig wie so oft das Gedröhne drumherum.
Schon Ende Januar hatte der Klub mit der plötzlichen und teils tollpatschigen Einsetzung von Miroslav Stevic als Sportdirektor und Manfred Stoffers als Geschäftsführer erheitert. Die beiden fielen seither vor allem mit Lautmalerei auf, fabulierten von Chili-Fußball und davon, dass alles andere als Bundesliga »Betrug an unseren Fans« wäre. Das hören die Leute gerne.
Marco Kurz hingegen sagte zuletzt, dass er »kein Lautsprecher für die Öffentlichkeit« sei, dass er »nicht über die Medien kommuniziere«. Außerdem wies er darauf hin, dass bei 1860 „Anspruchsdenken und die Realität auseinanderklaffen. Wir können nicht vehement vom Aufstieg sprechen – und Spieler verkaufen. Das geht nicht.“ Das hören die Leute nicht gerne.
Stevic und Stoffers gaben ihrem Trainer zuerst keinen Rückhalt, nach den ersten guten Spielen sprachen sie von einer guten Kombination (der Analytiker Kurz und der Emotionsbolzen Stevic). Nach dem ersten schlechten Spiel haben sie ihn rausgeschmissen. Das alles binnen drei Wochen. Da ist was geboten, das bringt die Schlagzeilen. Den Verein bringt das alleine noch nicht voran.